Wien - Heinrich Schaller und Wolfgang Eder haben zumindest eines gemeinsam. Sowohl der Banker als auch der Großindustrielle haben schon damit gedroht, mit ihren Unternehmen Österreich zu verlassen. Die Debatte über die Güte des hiesigen Wirtschaftsstandorts ist ja keine neue.
Über zu hohe Lohnnebenkosten und eine überbordende Bürokratie beklagt man sich da gerne. Aber wie viele Firmen machen dann wirklich ernst und wandern ab?
An einer detaillierteren Aufzeichnung von Verlagerungsaktivitäten versucht sich die Arbeiterkammer (AK). Seit dem Jahr 2006 hält sie in ihrem Verlagerungsmonitor fest, wie viele Unternehmen mit zumindest Teilen ihrer Betriebsstätten Österreich den Rücken kehren und wie viel Arbeitsplätze davon betroffen sind. Die Daten hierfür werden mehrheitlich Medienberichten entnommen. In den letzten neun Jahren erfolgten demnach 113 Verlagerungen ins Ausland. 14.000 Arbeitsplätze waren davon betroffen. Wie viele Personen durch eine Standortänderung wirklich ihren Job verlieren, ist schwer abzuschätzen. Einerseits gibt es Zulieferunternehmen, die ebenfalls von einer Verlagerung betroffen sein könnten. Andererseits werden manche Mitarbeiter in anderen Bereichen des Unternehmens gehalten.
Einen groben Überblick zur Situation in Europa liefert der European Restructuring Monitor (ERM), der seine Daten ebenfalls aus Medien bezieht. Da aber nur Verlagerungen ab einer gewissen Größe in diesem berücksichtigt werden, werden viele Bewegungen in Österreich nicht erfasst. Erst wenn 100 Beschäftigte betroffen sind oder zehn Prozent der Beschäftigten in einem Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern, taucht der Fall im ERM auf. Hierzulande beschäftigt ein Unternehmen allerdings im Schnitt keine neun Personen.
Verlagerungen gehen zurück
Gewisse Trends ließen sich mithilfe des ERM aber trotzdem ablesen, so Nikolaus Graf vom Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria. "Aus den Daten geht hervor, dass die Verlagerungsrate vor den Krisenjahren ihren Höhepunkt hatte. Das deutet darauf hin, dass Unternehmen Verlagerungen eher bei günstigen wirtschaftlichen Aussichten tätigen, da diese für ein Unternehmen oftmals mit hohen Kosten verbunden sind."
So wie die Studie des EcoAustria zeigt auch die AK einen rückläufigen Trend bei Verlagerungen auf. Waren es 2006 noch 22, fanden letztes Jahr nur mehr acht statt. 983 Arbeitsplätze waren davon betroffen.
Da gibt es zum Beispiel Knowles Electronics, die 280 Arbeitsplätze in Wien streichen und die Produktion in ihren asiatischen Standorten forcieren. 60 Mitarbeiter belässt der Minilautsprecherhersteller für Forschungs- und Entwicklungszwecke in Wien. Oder Wollsdorf Leder, die vor allem Lederprodukte für die Automobilindustrie herstellen. Das Werk in Weiz wird aufgelassen, ein neuer Standort in Kroatien eröffnet. 200 Arbeitsplätze sind betroffen. Lohnkosten seien nicht das Problem gewesen. Die Produktion liefe gut, aber der Ausbau des Werks sei wegen der innerstädtischen Lage nicht möglich. An den Balkan zieht es auch Swarovski. Seit 2014 wird ein neues Werk in Serbien betrieben. In Wattens in Tirol werden 200 Stellen eingespart. (Andreas Maschke, 10.6.2015)