Kiew/Wien - Die im März 2015 gegründete, nicht unumstrittene "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" (AMU) hat am Mittwoch in einer Aussendung ihr Team von "Arbeitsfeld-Leitern" vorgestellt. Diese sollen ein Programm zur Modernisierung der Ukraine ausarbeiten, das im September dem ukrainischen Parlament übergeben und der Öffentlichkeit präsentiert werden soll.
Unter den Leitern der insgesamt sechs Arbeitsfelder finden sich der frühere Vizepräsident der EU-Kommission und EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie sowie für Erweiterung, Günter Verheugen (verantwortlich für das Arbeitsfeld EU-Integration), der ehemalige französische Gesundheitsminister und Gründer von "Ärzte ohne Grenzen" (MSF), Bernard Kouchner (Bereich Gesundheit), der frühere polnische Ministerpräsident und Justizminister Wlodzimierz Cimoszewicz (Anti-Korruption), der polnische Ex-Premier und Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak (Bereich Wirtschaft), Lord Macdonald, QC, Mitglied des House of Lords und Deputy High Court Judge (Bereich Rechtsstaatlichkeit), sowie Otto Depenheuer, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Köln (Bereich Verfassung).
"Hochkarätiges Team"
"Wir konnten (...) ein hochkarätiges Team von Experten aus Wissenschaft und Politik zusammenstellen, denn die Ukraine benötigt die erfahrensten Persönlichkeiten, um wieder auf die Beine zu kommen", unterstrich der AMU-Präsident und Ex-Außen-und -Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) laut der Presseerklärung.
Der weitere Fahrplan zur Entwicklung des "Ukraine Modernisation Programme" sieht zunächst Dialoggespräche zwischen den Arbeitsfeld-Leitern und ukrainischen Experten, Wissenschaftern, Politikern, Amtsträgern und Repräsentanten der Zivilgesellschaft vor. Studien und Befragungen in der Ukraine würden gestartet, am 18. Juni sollen "Round Tables" beginnen.
Die "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" ist nicht unumstritten. Der ukrainische Oligarch Dimitri Firtasch finanzierte die Gründung des Thinktanks. Kiew lässt gegen den Oligarchen ermitteln.
Bestechungsverdacht
Im Rahmen eines Verfahrens, das sich mit Firtaschs OSTCHEM Holding beschäftigt, beschlagnahmten ukrainische Strafverfolger zuletzt neben 499.000 Kubikmetern Gas in der Ukraine zahlreiche Immobilien dieser Holding mit Sitz in Wien. Firtasch steht unter anderem auch unter Bestechungsverdacht bei einem Titan-Förderprojekt in Indien. Das Straflandesgericht Wien lehnte im Mai ein Auslieferungsbegehren der USA ab.
Firtasch galt einst als enger Vertrauter des gestürzten Moskau-freundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Nach dessen Sturz stellte er sich aber hinter die neue Führung - nach Medienberichten soll er nach seiner Enthaftung in Wien im Vorjahr auch Besuch vom damaligen Präsidentschaftskandidaten und nunmehrigen Staatschef Petro Poroschenko erhalten haben.
Zuletzt hat Firtasch, den - obwohl er auf freiem Fuß lebt - ukrainische Medien oft als "Gefangenen von Wien" bezeichnen, jedoch massiv an politischem Einfluss verloren. Sein Versuch, mit der "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" wieder ins Gespräch zu kommen, wurde in Kiew nicht ernst genommen. (APA, 10.6.2015)