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Angehörige nehmen Abschied von Aftab Bahadur Masih.

Foto: Reuters/Mohsin Raza

Islamabad / Neu-Delhi – Er war erst 15 Jahre alt, als man ihn zum Tode verurteilte. Fast 23 Jahre verbrachte er in der Folge in Pakistans berüchtigtem Gefängnis Kot Lakhpat in Lahore. Vergeblich beteuerte er bis zuletzt seine Unschuld, vergeblich baten Menschenrechtler um Gnade für ihn. Am Mittwoch, in aller Frühe um 4.30 Uhr, wurde der Pakistaner Aftab Bahadur Masih zum Galgen geführt und gehängt. "Er weinte und sagte, er sei unschuldig", erzählte ein Gefängnisbeamter der Agentur Reuters.

Der 37-jährige Bahadur, einer von Pakistans zwei bis drei Millionen Christen, ist nur das jüngste Opfer einer ganzen Hinrichtungsserie in dem südasiatischen Staat. Nachdem die Taliban am 16. Dezember vergangenen Jahres fast 150 Menschen - die meisten von ihnen waren Kinder - in einer Schule in Peschawar getötet hatten, hatte Pakistan die Todesstrafe nach sieben Jahren Pause wieder eingeführt – angeblich, um den Terror schärfer zu bekämpfen.

Rund 150 Menschen wurden seitdem gehängt, hunderte weitere könnten folgen. Damit zählt Pakistan nun zu den Staaten mit den weltweit meisten Hinrichtungen.

Fragwürdige Urteile

Doch Bahadurs Fall zeigt, wie fragwürdig viele dieser Todesurteile sind; so fragwürdig, dass Kritiker von "Justizmord" und "Unrechtsjustiz" sprechen.

"Ich bin unschuldig, aber ich weiß nicht, ob das einen Unterschied macht", schrieb Bahadur in einem berührenden Essay wenige Tage vor seinem Tod, das Zeitungen veröffentlichten. "Für viele Jahre, seit ich 15 war, war ich in einer Grauzone, einer Vorhölle zwischen Leben und Tod gestrandet." Ein altes, zerknittertes Foto zeigt einen Burschen mit weichen, schwarzen Locken und sanften Gesichtszügen, der ernst in die Kamera schaut.

Zweifel an Schuld Bahadurs

Der Lehrling, geboren am 30. Juni 1977, war 1992 mit 15 Jahren zum Tode verurteilt worden, weil man ihm drei Morde zu Last legte. Bis heute bestehen massive Zweifel an seiner Schuld. Zwar soll er die Morde gestanden und zwei Zeugen sollen ihn belastet haben; doch alle widerriefen laut Aussagen von Bahadurs Anwälten später ihre Aussagen und gaben an, die Polizei habe die Geständnisse mit Folter erpresst.

Nicht nur in Pakistan, in ganz Südasien ist Polizeifolter verbreitet. Nicht selten werden Unschuldige zu Geständnissen gezwungen, um schnelle Fahndungs- und Justizerfolge vorzuweisen. Geständnisse sagen daher wenig aus, ob jemand schuldig oder unschuldig ist.

Vergeblich hatten Menschenrechtler und die Kirche an die Regierung appelliert, Bahadur zu verschonen. Seine Hinrichtung sei "ein ernstes Unrecht", erklärten Kirchenobere. Die Menschenrechtsgruppe Reprieve sprach von einem "beschämenden Tag für Pakistans Justizsystem". Bahadur sei mit 15 Jahren ein Kind gewesen, als er zum Tode verurteilt wurde. Erst im Jahr 2000 wurde die Altersgrenze für Strafmündigkeit auf 18 Jahre angehoben. (Christine Möllhoff, 11.6.2015)