Brigitte Wolf (ORF-Wien-Chefin), Traude Kogoj (Diversity-Beauftragte ÖBB), Erich Neuwirth (Personalchef TNT) mit Moderatorin Karin Bauer: "Realisierung von Diversity & Inclusion" im barrierefreien Festsaal der WU und mit Gebärdendolmetscherin.

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Diversity & Inclusion sind seit über einem Jahrzehnt Thema in Organisationen. Aber was sind gegenwärtig die Herausforderungen? Wohin geht der Trend? Darauf wird aus unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen in dem soeben erschienen 220-seitigen Buch "Realisierung von Diversity & Inclusion" (Hg. Andrlik/Pauser) eingegangen.

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"Es stehen uns prinzipiell mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, wie wir mit der rasant steigenden Diversität umgehen. Inklusion wird als ein neues Paradigma propagiert. Das verlangt mehr als individuelle Einpassung im Sinne der herkömmlichen Integration. Nämlich Rahmenbedingungen, unter denen die soziale Vielfalt, die sich in Unternehmen mannigfaltig zeigt, gelingen kann. Jenseits der gezielten oder häufig unbewussten Exklusionen tun sich hier wie da Abgründe auf. Vergessen wir nicht, dass global gesehen die grausamsten Formen des Umgangs mit der Vielfalt zur Anwendung kommen: von Herabwürdigung und Verfolgung über Folter bis zur systematischen Eliminierung.

Auch all diese Formen des Umgangs mit der Vielfalt dienen letztlich dem Erhalt sozialer Ordnungen. Die Geschichte (und Gegenwart) zeigen auf beunruhigende Art und Weise, wie dünn die Trennlinien sind. Wir sehen es als unsere klare Verantwortung, im Hinblick auf Diversity & Inclusion klar Stellung zu beziehen. Die Haut der Inklusion ist noch sehr dünn."

Vision einer Inklusion

Norbert Pauser bezieht klar Stellung, wenn es um sein Anliegen geht. Und begnügt sich auch am Dienstag an der Wiener Wirtschaftsuni bei der Präsentation seines neuen Buches Realisierung von Diversity & Inclusion nicht mit ein paar Wohlfühlrechnungen zum betriebswirtschaftlichen Nutzen von Frauenförderung oder Mehrwertstudien zum Einstellen von Menschen mit Behinderung statt Zahlen von Abschlaggeld. Ebenso die Diskutanten: ORF-Wien-Chefin Brigitte Wolf und ÖBB-Diversity-Beauftragte Traude Kogoj nehmen offen und ehrlich mit in Gelungenes und noch Anstehendes, machen klar, dass die Vision einer Inklusion ihre Arbeit in den Organisationen treibt.

Erich Neuwirth, Personalchef des Transportunternehmens TNT, rekrutiert seit den 90er-Jahren aus Bereichen, um die die meisten lieber einen Bogen machen. Und wie sieht die Normalität aus bei TNT? "Normalität heißt, dass eine Kollegin aus Nigeria im Großraumbüro auf dem Schreibtisch ein Familienfoto stehen hat, das sie mit ihrer Lebenspartnerin und dem gemeinsamen Kind zeigt. Und sie kann sagen: Das ist meine Familie (und muss nicht lügen, das sei sie mit ihrer Schwester und ihrem Neffen). Es bedeutet, dass manche unserer Fahrer einen Turban tragen können, ohne dass wir Beschwerdeanrufe von Kunden bekommen, ob wir denn kein österreichisches Personal hätten. Normalität zeigt sich, wenn unsere Rollfahrerinnen Unterstützung beim Überwinden von baulichen Barrieren im Haus von Kolleginnen bekommen und dies eine Selbstverständlichkeit ist."

Feigenblätter aufdecken

Die Beschäftigung mit Diversity in Unternehmen sei keine Corporate-Social-Responsibility-Angelegenheit und keine Personalstrategie. Das sei "Legal Compliance", postuliert Neuwirth. Und setzt angesichts der hippen Modebewegung "Diversity" inklusive anschwellendem Award-Regen nach: "Soll man Unternehmen dafür loben, dass sie sich an Gesetze halten?" Plus: "Bei uns im Unternehmen gibt es den Begriff Diversity nicht, nur Ergebnisse."

Die Klarheit erfüllt den Festsaal der Wirtschaftsuni, und langer Applaus folgt.

Und wie könnte das großflächiger wirklich werden? Die Herausgeber antworten: nicht mit noch mehr Diversity-Trainings und Auswendiglernen politisch korrekter Sprache. Diversity & Inclusion möge vielmehr als "Querschnittsthema in der Aus- und Weiterbildung" seine Wirkung entfalten. Der Titel des Sammelbandes outet sich als ambitioniert, gibt aber in der Zusammenschau der wissenschaftlichen, der praktischen und der organisationalen Zugänge und Beispiele eine Menge Antworten, hält Spiegel hin, bringt zum Vorschein, was unter den Feigenblättern liegt. (Karin Bauer, 13.6.2015)