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Kreischende junge Mädchen beim One-Direction-Konzert.

Heribert Corn

Die Assoziationskette zu folgenden Betrachtungen geht ungefähr so: Neulich in der Wiener U2, es war heiß, und ich war müde und hatte plötzlich dieses starke Fremdheitsgefühl in mir: Hier gehörst du nicht dazu. Es war ungefähr so, als würde ich im Sommer in einem Flieger in Richtung Mykonos sitzen. Genau: als heterosexuelle Frau vollkommen fehl am Platz. Aber ich war nicht in Richtung Mykonos unterwegs, sondern in Richtung Seestadt – und mit mir eine ganze U-Bahn-Wagonladung voller vorfreudiger junger Mädchen. Ja, die waren alle nur in eine einzige Richtung unterwegs. Oh ja: One Direction (im Wiener Praterstadion). Auch optisch. Und ich? Ich war in dieser Einbahnstraße quasi eine Art Geisterfahrerin. Sowohl meinen Geburtsjahrgang als auch mein Styling, das so gesehen keines war, betreffend.

Der Neid der älteren Mädchen

Insgeheim mache ich diese jungen Frauen und Mädchen ja schon länger dafür verantwortlich – und weiß natürlich, dass das so formuliert Quatsch ist –, dass ich seit Jahren kaum noch einen BH oder Bikini finde, der keine Eisenbügel und Push-up-Körbchen besitzt. Als Kind der freien Liebe würde ich am liebsten immer noch weder noch tragen. Aber zurück zu den Mädchen: Die tragen nicht nur gerne Push-up-BHs, sondern dazu auch Shorts (sehr knackig), Shirts (gerne bauchfrei) oder Kleidchen (eher kurz). Oh ja, keine Frage: Aus mir spricht neben dem Ärger wegen der für mich unzumutbaren BH-Mode zumindest auch Bewunderung (gibt es etwas Tolleres als junge Mädchen?), natürlich auch der Neid eines, nennen wir es, älteren, in die Jahre gekommenen Mädchens.

Kreischende Mädchenscharen

Jeder Mensch hat seine Stärken, die sich mit zunehmenden Jahren verlagern. Meine sind mittlerweile meine schmalen Fesseln. Nicht nur das Wissen um die eigenen Stärken (und Schwächen) nimmt mit zunehmenden Alter zu, sondern auch das Wissen selbst: Ich weiß heute ziemlich exakt, was Bingo Flips und Lovehandles sind und leider nur noch theoretisch, wie man die mit viel Blut, Schweiß und Tränen wieder loswerden könnte. Jeder neue sonnige Sommer bringt außer luftig-lockerer Garderobe somit auch finstere Überlegungen und seit kurzem endgültig die Frage mit sich, die sich zum Beispiel, um kurz von den jungen Mädchen abzulenken, für ältere Männer so nie stellen wird: "Bikini oder Badeanzug?", frage ich mich still inmitten der kreischenden Mädchenscharen in der U2 in Richtung Seestadt. Vom Praterstadion sind es nämlich nur wenige Minuten bis zum Stadionbad. Dort soll es dieser Tage sehr nett sein. (Mia Eidlhuber, derStandard.at, 14.6.2015)