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Protestmarsch in Telfs gegen Bilderberg-Konferenz.

Foto: APA/ANGELIKA WARMUTH

Telfs - Der junge Mann stockt inmitten der Parole, die er gerade skandiert, und runzelt die Stirn. "Antifa-was?", sagt er zu dem Mädchen neben sich. Das zuckt mit den Schultern.

Er war nicht der einzige, der sich in seiner Umgebung nicht immer aufgehoben fühlte beim Protestmarsch in Telfs gegen die diesjährige Bilderbergkonferenz im nahegelegenen Interalpen-Hotel Tyrol. Das Aufbegehren gegen das "Treffen der Mächtigen", wie auf einem Plakat geschrieben stand, einte sonst verfeindete Lager. Und das nicht zur Zufriedenheit aller.

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Die Organisatoren waren ein Bündnis aus Vertretern politischer Parteien (Grüne, Piraten, KPÖ) und Organisationen (unter anderem Attac). Anwesend war schlussendlich aber etwa auch Kathrin Oertel, die ehemalige deutsche Pegida-Sprecherin; zwei junge Männer aus Telfs, die mit einer linken Gruppe marschierten, bekundeten offen: "Wir wählen natürlich die FPÖ. HC Strache muss unbedingt an die Macht kommen, sonst wird das ein schlimmes Ende nehmen."

"Bilderbergen näher als manchem Demonstranten"

"Wir sind eine bunte Gruppe und das ist ja auch grundsätzlich gut so", sagte Mesut Onay, grüner Innsbrucker Gemeinderat und Mitorganisator. Davon waren nicht alle überzeugt: "Ich denke, ich stehe ideologisch einigen Bilderbergern näher als so manchem Demonstranten hier", empörte sich ein linker Aktivist beim Marsch.

Dem Motto einiger "Peace"-Fahnen wurde Folge geleistet: Der Protest verlief friedlich.
Maria von Usslar

Schlussendlich verlief aber alles friedlich. Die anwesenden Beamten waren hauptsächlich Beobachter und in ihrer Anzahl überschaubar. Laut Polizei waren rund 500 Protestler anwesend, den Organisatoren zufolge kamen zwischen 700 und 800 Menschen. Es gab keine Zwischenfälle. Man tolerierte sich. Irgendwie.

Parolen und Fakten

Doch was verbindet diese ungewöhnliche Protestallianz? Einigkeit herrschte darüber, dass das Bilderberg-Treffen undemokratisch und intransparent sei. "Regierungsvertreter, Militärs und Konzernlobbyisten diskutieren und verhandeln und die Öffentlichkeit darf nicht teilhaben. Das kann doch nicht sein", erklärte ein Demonstrant.

Fakt ist: Das Treffen ist hochkarätig besetzt. Es sind aktuelle und ehemalige Politiker wie Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer, die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Ex-US-Verteidigungsminister Henry Kissinger wie auch EU-Politiker José Barroso anwesend. Ebenso dabei sind Ex-CIA-Direktor David Petraeus, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Siemens-Chef Wolfgang Hesoun und Vertreter der Rüstungsindustrie.

Eingeschränkte Berichterstattung

Man möchte offen plaudern können, argumentieren die Veranstalter den Ausschluss der Öffentlichkeit. Anwesende Medienvertreter dürfen grundsätzlich über das Treffen berichten, aber nicht darüber, wer was gesagt hat. "Es handelt sich um eine Diskussionsveranstaltung, auf der man sich über Hintergründe informieren und austauschen kann", sagt STANDARD-Herausgeber Oscar Bronner, der dieses Jahr schon zum wiederholten Mal der Konferenz beiwohnt.

Gesprochen wird im Nobelhotel in Telfs-Buchen derzeit und bis Sonntag über sicherheitspolitische Themen wie Terrorismus, die Nato und Cybersicherheit genauso wie über "European Strategy", Griechenland, US-Wahlen und das geplante Freihandelsabkommen TTIP.

Kosten für den Steuerzahler

Ein zweiter gemeinsamer Kritikpunkt der Demonstranten in Telfs waren die hohen Sicherheitskosten. Rund sechs Millionen Euro soll der Polizeieinsatz rund um den G7-Gipfel im nahen Bayern und die Bilderberg-Konferenz kosten, wurde kolportiert. Genau beziffern könne man das erst nach Abschluss der Mission in Tirol, hieß es vonseiten der Polizei.

Die Polizei hielt die Demonstranten zusammen, hatte schlussendlich aber wenig zu tun.
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"Die essen und trinken im privaten Rahmen im vornehmen Hotel und wir Steuerzahler müssen dafür aufkommen", monierte ein Protestteilnehmer. Die "Plattform Bilderbergproteste" fordert eine genaue und transparente Aufschlüsselung des Sicherheitsaufwands. "Der G7-Gipfel und Bilderberg müssen vom Innenministerium getrennt behandelt und die Kosten für das Privattreffen der Bilderberger den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden", sagte Irene Labner von der Piratenpartei bereits im Vorfeld.

Menschen, Tiere, Pflanzen

Neben der Kritik an den hohen Kosten und der Intransparenz fand jeder auch seinen eigenen Zugang zum Protest. Unter ihnen auch einige, die gegen gar nichts, sondern vor allem für jeden demonstrierten: "Wir sind alle eins. Menschen, Tier und Pflanzen", schrie eine Demonstrantin in die Menge. Da konnten fast alle Zuhörer lächeln und nicken. (Katharina Mittelstaedt, Maria von Usslar, 13.6.2015)