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Mitarbeiter von Reporter ohne Grenzen bringen 2013 ein Plakat anlässlich des 20. Weltpressefreiheitstages an. Russland liegt im Pressefreiheitsindex derzeit auf Rang 152 von insgesamt 180.

Foto: Reuters/Tessier

Mit dem Ukraine-Konflikt ist auch das Zeitalter der Hybridkriege angebrochen. Neben militärischen Mitteln wird auch mit gezielter Desinformation gekämpft. Die ukrainische Factchecking-Plattform stopfake.org hat es sich zur Aufgabe gemacht, falsche und verzerrende Medienberichterstattung aufzudecken. Die sei nicht nur in Russland zu finden, sagt Redakteurin Maria Kovalchuk. Insgesamt 49 Prozent aller Leserinnen und Leser surfen die Website aus Russland an.

STANDARD: Wie ist die Plattform stopfake.org entstanden?

Kovalchuk: Sie wurde von Professoren und Studenten des Journalismusinstituts Mohyla in Kiew gegründet. Wir haben im März 2014 begonnen, als die Krim-Krise virulent war. Die Gründer haben realisiert, dass eine große Menge an Falschinformationen über die Ereignisse im Umlauf ist. Die Journalisten, aber auch die Leser haben damit zu kämpfen: denn man erlebt gewisse Dinge selbst mit, um sie dann aber in komplett verdrehter Weise in den Medien wiederzufinden. Unser Projekt richtet sich nicht gegen Russland. Unser Projekt richtet sich gegen Propaganda und Falschinformation in den Medien.

STANDARD: Dennoch – wird von russischer Seite am meisten getrickst?

Kovalchuk: Natürlich gibt es in Russland mehr akkordierte Propaganda. Aber es gibt sie auch von der ukrainischen Seite. Und wir sehen auch, dass viele europäische Medien Falschinformationen ungeprüft übernehmen. Es ist interessant, wie stark russische Narrative – zum Beispiel über Russia Today – mittlerweile in Europa verbreitet sind.

STANDARD: Welche Instrumente hat stopfake.org, um Factchecking zu betreiben?

Kovalchuk: Das sind ganz simple Instrumente. Es beginnt bei der Google-Bildersuche, mit der wir überprüfen, ob ein Foto schon früher verwendet wurde oder von anderen Teilen der Welt ist. Ansonsten wenden wir die grundlegenden journalistischen Recherchemethoden an.

STANDARD: Welche Art von Falschinformation wird denn unter die Leute gebracht?

Kovalchuk: Die russische Propaganda benützt viele emotionale Storys – mit Frauen und Kindern. Es wurde zum Beispiel erzählt, dass ein Bub in Donezk gekreuzigt wurde. Das ist jetzt schon zu einer Legende im ukrainischen Journalismus geworden. Das ukrainische Militär hätte diesen ukrainischen Jungen gekreuzigt. Zumindest wurde das von einer Frau im Fernsehen behauptet. Sie weinte vor der Kamera. Aber es gibt dafür keinen einzigen Augenzeugen, obwohl diese Frau behauptete, dass viele Leute bei dieser Aktion dabeigewesen wären. Wir haben niemanden gefunden. Russische Journalisten bezahlen Leute, damit sie ihnen gewisse Dinge erzählen oder eine Rolle spielen. Es gab eine Frau, die zunächst die Mutter eines Soldaten im Donbass und dann wiederum eine Aktivistin in Odessa war. Es gab viele ähnliche Videos mit ihr.

STANDARD: Wie wird von stopfake.org entschieden, welche mutmaßlichen Falschinformationen überprüft werden?

Kovalchuk: Wir bekommen sehr viel Feedback von unseren Lesern. Viele schreiben uns, schicken uns mutmaßliche Falschinformationen. Wir überprüfen das dann, bevor es publiziert wird. Ansonsten beobachten wir die Informationskanäle, von denen wir schon wissen, dass sie falsche Nachrichten verbreiten.

STANDARD: Wer arbeitet derzeit für stopfake.org?

Kovalchuk: Neben unserem Direktor und Gründer gibt es drei Redakteure und bis zu sieben Freiwillige, die mithelfen. Wir decken aber nicht nur auf, sondern schreiben und publizieren auch ganz generell zum Thema Propaganda – wie sie funktioniert, welche Mechanismen zum Tragen kommen.

STANDARD: In welchen Sprachen publiziert stopfake.org?

Kovalchuk: Wir publizieren in Russisch und Englisch. Es gibt aber auch Übersetzungen ins Spanische. Wir haben viele Freiwillige, die unsere Nachrichten übersetzen wollen, um eine größere Leserschaft zu erreichen.

STANDARD: In welcher Art und Weise manipuliert die ukrainische Regierung Informationen?

Kovalchuk: Es gibt viele Stimmen, die glauben, dass man der russischen Propaganda jetzt ukrainische Propaganda entgegensetzen soll, um zu widersprechen. Wir versuchen zu erklären, dass das nicht der richtige Weg ist. Factchecking ist wichtig. Die Fakten müssen stimmen. Die Leute wollen die Wahrheit darüber wissen, wie viele Ukrainer sterben und was militärisch passiert. Jetzt wird, was Zahlen anlangt, sehr stark manipuliert. Die offiziellen Stellen geben uns ganz unterschiedliche Informationen. (Teresa Eder, 16.6.2015)