Justizminister Wolfgang Brandstetter hat die geplante Modernisierung des Kindesunterhaltsgesetzes auf Eis gelegt. Was das bedeutet, wissen diejenigen, die aufgrund einer Trennung oder Scheidung plötzlich vor dem finanziellen Nichts stehen. Herr Justizminister, Sie tragen Verantwortung. Denn Armut ist kein Naturereignis sondern menschengemacht.

Vater sein gestaltet sich bei einer Scheidungsrate von mehr als 40 Prozent nicht immer leicht. Ich nahm den Vatertag zum Anlass, etwas genauer hinzusehen, interviewte Väter, die von ihren Kindern getrennt leben und fragte sie, ob eine Kindesunterhaltssicherung auch für sie eine Erleichterung wäre.

Geht es den Kindern gut

Alle Väter betonten mehrmals, wie wichtig ihnen das Kindeswohl – auch in finanzieller Hinsicht – ist. Sie leiden darunter, dass Kinder von Alleinerziehenden doppelt so oft von Armut betroffen sind als andere Kinder und Jugendliche. Obwohl sie zum Teil kein gutes Verhältnis zur Kindesmutter haben, wissen sie sehr wohl, wie wichtig das Wohlergehen des Kindes ist. Denn geht es den alleinerziehenden Erziehungsberechtigten – zu 93 Prozent Frauen – gut, geht es den Kindern gut.

Und die Väter selbst? Ihnen wird nach Trennung oder Scheidung oft das letzte Hemd ausgezogen. Nicht selten wächst der Schuldenberg in den sechsstelligen Bereich, da der Unterhaltsvorschuss in Österreich eine Regressleistung ist. Manche Väter werden sich nie mehr ein vernünftiges Leben aufbauen können, manche landen sogar auf der Straße.

Streit ums Geld

Die von mir befragten Väter betonten, dass der Streit ums Geld die ohnehin angespannte Situation zwischen Expartnern eskalieren lässt. Sie leiden darunter, dass sie es nicht schaffen – nicht Manns genug sind – ihren Kindern ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Sie leiden auch unter der Rache mancher Mütter, die ihnen das Besuchsrecht entziehen, wenn das Geld ausbleibt. Da ist der §19 UVG, der Unterhaltsherabsetzungsantrag im Unterhaltsvorschussgesetz, oft der einzige Ausweg. Auch in dem Wissen, dass er die Kinder mit sofortiger Wirkung in die Armut stürzt. Dieser Paragraph muss ersatzlos gestrichen werden.

Das derzeitige Unterhaltssystem führt in eine Lose-Lose-Situation: verarmte Kinder, verarmte Mütter, verarmte Väter und ein Staat, der für die lebenslangen Folgekosten der Kinder- und Jugendarmut aufkommen muss.

Gesellschaftspolitische Aufgabe

Ist es also an der Zeit, die Alleinerziehenden abzuschaffen? Die Frage ist absurd, wird aber bereits gestellt. Sinnvoller und zielführender wäre hingegen, zu erkennen, dass dieser Themenkomplex keine Privatsache ist, sondern eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Denn es ist in unser aller Interesse, dass

  • die Geburtenrate konstant bleibt (Generationenvertrag),
  • die Folgekosten der Kinder- und Jugendarmut minimal gehalten werden (Justiz, Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen),
  • Kinder nicht vaterlos aufwachsen und
  • Expartner weiterhin als Eltern koexistieren können.

Dazu brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen und ja, da sind wir mitten in der Umverteilungsdebatte: leistbares Wohnen, günstige Kinderbetreuungseinrichtungen, Jobs, von denen man leben kann und die Einführung einer Kindesunterhaltssicherung.

Staat springt ein

Und die alleinerziehenden Väter? Sehen sich mit ähnlichen Alltagsproblemen wie die alleinerziehenden Mütter konfrontiert, haben jedoch meist eine andere finanzielle Ausgangslage. Bei der Kindesunterhaltssicherung nach schwedischem Modell stockt der Staat den Betrag auf, den der Unterhaltsschuldner nicht leisten kann und sorgt so erfolgreich dafür, dass Kinder von Alleinerziehenden nicht armutsgefährdeter sind als Kinder in Zwei-Eltern-Haushalten. Das entspannt das Verhältnis zwischen Expartnern, lässt den Kindern ihre Väter, reduziert die dramatischen sozialen wie gesundheitlichen Auswirkungen der Kinder- und Jugendarmut und deren Folgekosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und macht Mut, Familien zu gründen. Das ist die Win-Win-Situation, die Österreich braucht.

Nicht nur in Wahlzeiten ist es das Gebot der Stunde, energische Antworten auf soziale Fragen zu finden. Die Kindesunterhaltssicherung ist ein klar umrissenes Konzept, leicht verständlich und schmerzlos in der Umsetzung. In Österreich gibt es etwa 71.910 Alleinerziehende (mit Kindern und Jugendlichen unter 27 Jahren, die wirtschaftlich abhängig sind), die gravierende Probleme haben, da ihnen zu wenig oder gar keine Alimente oder Unterhaltsvorschuss überwiesen werden. Das sind 71.910 Wahlberechtigte. Wenn hinzugerechnet wird, dass es auch 71.910 Unterhaltsschuldnerinnen und -schuldner gibt, sind das schon 143.820 Stimmen und da sind noch nicht die jeweiligen Großeltern und andere Familienangehörige eingerechnet, die die verwaltete Kinderarmut mittragen müssen. Wenn ich Politikerin wäre, würde ich diese Stimmen ernst nehmen. (Maria Stern, 16.6.2015)