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Besonders der ungesteuerte Antibiotikaeinsatz in der Fleischproduktion begünstigt die Bildung von Resistenzen maßgeblich und macht dringend gemeinschaftlich harmonisierte Regelungen erforderlich, sagen Experten.

Foto: APA/dpa/Patrick Pleu

Wien – Laut Angaben der EU-Kommission starben 2011 rund 25.000 Patienten in der Europäischen Union an der direkten Folge einer Infektion mit multiresistenten Bakterien. Solche Infektionen werden in der Regel im Krankenhaus erworben und führen dazu, dass den Betroffenen trotz einer Behandlung mit Antibiotika nicht mehr effektiv geholfen werden kann, da die eingesetzten Arzneimittel gegen die verursachenden Bakterien nicht mehr wirksam sind.

Insgesamt dürften die dadurch entstehenden Gesundheitsausgaben und Produktivitätsverluste einen Schaden von etwa 1,5 Milliarden Euro in den Mitgliedsstaaten verursachen. Nun diskutierten nationale und internationale Experten auf dem Europäischen Medizinrechtstag in Wien wie steigenden Resistenzraten wirksam begegnet werden kann.

Vorschlag für verbindliche Hygienerichtlinien

Präventivmaßnahmen könnten einen Großteil der Infektionen vermeiden, heißt es von Seiten der Experten. Dazu zählt die konsequente Einhaltung der Händehygiene, Strategien gegen Handschuhperforation während chirurgischer Eingriffe wie beispielsweise durch die Verwendung doppelter Handschuhe oder Handschuhwechsel bei längeren Operationen und gezieltes Screening auf Besiedelung mit Staphylococcus aureus im Rahmen präoperativer Voruntersuchungen.

"Infektionsraten lassen sich besonders effektiv senken, wenn sich krankmachende Erreger erst gar nicht verbreiten", sagt Ojan Assadian, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (ÖGKH). "Durch jede verhinderte Infektion sinkt auch die Notwendigkeit der Antibiotikagabe und damit der Selektionsdruck auf Bakterien", so Assadian weiter.

Präventive Kosten relativ gering

In der Praxis scheitert das oft an Hürden an der Schnittstelle zwischen niedergelassenem Bereich und Krankenhaus – sowie am fehlenden Geld. Diese Meinung revidiert Martin Schaffenrath vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger: "Es konnte aufgezeigt werden, dass präventive Kosten von rund 100 bis 120 Euro in keinem Vergleich zu den diagnostischen und therapeutischen Kosten einer tatsächlich eingetretenen Staphylokokken-Infektion stehen. Mit solchen Präventionsmaßnahmen wäre es also möglich, erhebliche Folgekosten zu vermeiden. Was Kostenerstattungen und Refinanzierungen anbelangt, werden Krankenkassen künftig vermutlich immer mehr gefordert werden".

Damit diese Wirkung zeigen, sind jedoch auch einheitliche und verbindliche Hygienestandards in allen Gesundheitseinrichtungen erforderlich. Im Gegensatz zu anderen Ländern gibt es solche verbindliche Standards in Österreich aber derzeit noch nicht.

Internationale Vernetzung notwendig

"Der Kampf gegen Antibiotikaresistenzen ist kein österreichisches Problem allein, sondern betrifft alle westlichen Industrieländer.", betont Alfred Radner, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Medizinrecht. "Deshalb werden wir nur erfolgreich sein, wenn wir rechtlich integrativ und fachlich interdisziplinär denken und bereit sind voneinander zu lernen", ergänzt der Experte.

So lässt sich den Wissenschaftlern zufolge das Thema Gesundheit nicht mehr isoliert von anderen Bereichen wie zum Beispiel der Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit betrachten. Denn insbesondere der ungesteuerte Antibiotikaeinsatz in der Fleischproduktion begünstige die Bildung von Resistenzen maßgeblich und mache dringend gemeinschaftlich harmonisierte Regelungen erforderlich.

Ojan Assadian betont: "Wir müssen die Augen offen halten und sollten besser verstehen, wie andere Länder dem Problem zunehmender Antibiotikaresistenzen begegnen. In Zukunft werden wir deshalb den Austausch mit internationalen Kollegen weiter ausbauen müssen, um gemeinsam Lösungen für diese Herausforderung der modernen Medizin zu finden", resümiert Ojan Assadian. (red, 16.6.2015)