Der Rüsselkäfer sticht seine Brut in die Rosenblüten.

Illustration: Dennis Eriksson

Der Gartler sieht schlecht aus. Er hat wenig geschlafen, die Umstände machen ihm Zores und der Garten keine Freude. Zum Termin beim Gartencoach schafft er es dennoch. Er schildert seine letzten Wochen. Erst kamen die Blattläuse. Aber wären es nur die – leider hat sich dieses Jahr der Rüsselkäfer dazugeschummelt. Der schafft es tatsächlich, den gesamten Tag über unentdeckt zu bleiben, um dann bei Nacht die Rosen zu entblättern.

Der Coach seufzt gemeinsam mit dem Gartler und fühlt seine Verzweiflung. Der Gartler schildert weiter, wie der Rüsselkäfer in der Folge begonnen hat, junge, rötliche Rosentriebe kaputtzubeißen. Zumindest unterstellt er ihm das. Wie er begonnen hat, sein Gelege in noch kleine, aber vielversprechende Blütenköpfe zu legen. Er habe nachgesehen, der Rüsselkäfer, der das macht, heißt Anthonomus rubi, auch als Erdbeerstecher bekannt.

Blütenbrüter

Dieser Käfer sticht seine Brut in die Blüten, beißt knapp unterhalb in die Blütenachsen, das erkennt man an schwarzen Flecken, den späteren Sollbruchstellen. Wenn die Blüte vor dem Aufblühen abbricht, fällt sie zu Boden, wo sich die bereits fettgefressene Käferlarve dann zu einem neuen Rosenvernichter verpuppt. Es gebe nichts Grausameres, als in der Früh beim Gartenrundgang angebissene, zum Teil bereits geknickte Rosenblütenköpfe abbrechen und entsorgen zu müssen.

Nein, sagt der Gartler, er habe eigentlich die Freude am Garteln verloren. Er sehe nur noch Läuse, Larven und Käfer, die seine Rosen vernichten wollen. Er habe genug. Der Coach fragt nun, ob es schon einmal besser war.

Früher, antwortet der Gartler, habe er das nicht so massiv festgestellt. Ob denn früher die Rosen intensiver geblüht hätten, möchte der Coach nun wissen, aber das verneint der Gartler. Die Rosen, sagt er, blühen eh wunderbar, so schön wie schon lange nicht. Und dann verstummt er. Der Coach erhält den Gedankenraum aufrecht, atmet mit dem Gartler aus.

Die Stille dauert an. "Wahrscheinlich", sagt der Gartler, "liegt es an mir. Ich sehe nur noch die Schädlinge und Parasiten, ohne ein Auge für die bestehende Pracht zu haben. Wahrscheinlich sind es dieses Jahr nicht mehr oder weniger Schädlinge. Mir scheint, ich will gar nichts anderes sehen, bin mit der falschen Erwartungshaltung im Garten unterwegs. Ein klarer Fall von selektiver Wahrnehmung. Danke! Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe."

Er begleicht das Honorar und wünscht dem Coach noch einen schönen Tag.(Gregor Fauma, Rondo, 25.6.2015)