Bild nicht mehr verfügbar.

Überschaubar begeistert zeigen sich Schüler bei einem Besuch des Nikola-Tesla-Museums. Ähnlich gut auf das Museum ist derzeit die serbisch-orthodoxe Kirche zu sprechen.

Foto: AP/Marko Drobnjakovic

Belgrad hat sich im vergangenen Jahrzehnt einen Namen als Partystadt gemacht. Es ist das Nachtleben, das die unzähligen jungen Menschen aus aller Welt anzieht, die bekannten DJs, die Konzerte. Ein Muss ist die alte osmanische Festung im Stadtzentrum, der Blick auf die Save, die in die Donau mündet. Ausländische Touristen versäumen es nicht, sich die Trümmer im Stadtzentrum anzuschauen, die an die dreimonatigen Luftangriffe der Nato 1999 erinnern. Obwohl die Besucherzahl von Jahr zu Jahr steigt, verirren sich nur die wenigsten in das Nikola-Tesla-Museum, das ein wenig abseits in der Krunska-Straße 51 liegt und in dem seit Jahrzehnten in einer ballförmigen goldenen Urne die sterblichen Überreste des weltberühmten Erfinders aufbewahrt werden.

Ebendieses Museum befindet sich wegen der Urne inmitten einer hitzigen politischen Auseinandersetzung, die in den vergangenen Wochen eskalierte. Für die serbisch-orthodoxe Kirche ist das nämlich ein "blasphemischer" Zustand, Gotteslästerung schlichtweg, ein Dorn im Auge der Gläubigen. Seit über einem Jahrzehnt will die Kirche der Urne und der Asche des Genies mächtig werden und sie, "wie es sich gehört", in der Kathedrale des heiligen Sava in Belgrad zur ewigen Ruhe überführen. Die serbische Regierung und die Belgrader Behörden gaben vor einem Jahr nach, es schien, als ob sich die Kirche wieder einmal durchgesetzt hätte.

Doch einige Bürgerbewegungen stemmten sich gegen den "kirchlichen und politischen Missbrauch" von Tesla, und so erlitt die einflussreiche erzkonservative serbisch-orthodoxe Kirche im März des vergangenen Jahres die erste Niederlage im "Eigentumsstreit" um Tesla. Die Facebook-Gruppe "Lasst Tesla in Ruhe" sammelte über 50.000 Unterschriften gegen die Umsiedlung der Urne und den "religiösen Zirkus", den die Kirche mit ihr vorhatte. Unter dem Motto "Retten wir die Wissenschaft" unterstützten rund 10.000 Wissenschafter die Initiative. Aktivisten demonstrierten vor dem Museum. Die irdischen Oberhäupter gaben unter dem Druck der potenziellen Wähler nach und schoben die endgültige Entscheidung auf. Die Vertreter des himmlischen Reiches gaben jedoch den Kampf um die Seele "des größten aller Serben" nicht auf und warteten auf die zweite Chance.

Die Kirche schlägt zurück

Vergangene Woche erfolgte schließlich der Gegenschlag der Popen. Auf ihrer Website zeigte die Kirche ein Foto, auf dem zwei Frauen und ein dunkelhäutiger bärtiger Mann mit überkreuzten Beinen und geschlossenen Augen vor Teslas Urne sitzen. Man nahm das Foto als "Beweis", dass "satanistische Rituale" vor den irdischen Überresten des größten aller Serben durchgeführt werden, und als schlagendes Argument, warum die Urne weg aus dem Museum und in den Schoß der Kirche versetzt werden muss.

Das Museum erwiderte empört, dass es sich bei dem Foto um die Performance "Passing Trough Zero" des bekannten Künstlers Robert Aiki Obrey Lowe mit dem Künstlernamen Lichens handelte, die im April im Rahmen des Festivals "Resonate 2015" stattfand, und dass sich das Museum mit notwendigem Respekt und Würde um die Urne kümmerte. Manche amüsierten sich über die Begründung der Kirche, vielen war aber gar nicht zum Lachen zumute – die Kirche hat großen Einfluss auf die serbische Gesellschaft.

Satanistische Rituale

Nichtsdestotrotz berief sich auch der Präsident des Belgrader Parlaments, Nikola Kojadinovic, als er argumentierte, warum Teslas Urne nicht länger im Museum ausgestellt werden sollte, auf die "Initiative des Patriarchen wegen satanistischer Rituale im Museum". Obwohl er selbst zugegebenermaßen nicht wisse, ob das tatsächlich Satanismus sei oder nicht, da er selbst ja kein religiöser Mensch und kein Religionsexperte sei. Aber die Kirche wird wohl wissen, worüber sie redet, wenn sie behauptet, dass der Leibhaftige im Nikola-Tesla-Museum herbeigerufen worden sei. Der Belgrader Stadtrat unterstützte zuvor auch das Vorhaben der Kirche, ein Denkmal für Tesla neben dem Tempel des heiligen Sava zu errichten.

In Belgrad gibt es allerdings schon drei Denkmäler von Tesla: eines seit 1963 vor der Elektrotechnischen Fakultät der Technischen Universität, ein zweites seit 2006 vor dem Belgrader Flughafen. Und im Museum selbst befindet sich eine naturgetreue Büste, die sein Freund, der große Bildhauer Ivan Mestrovic, geschaffen hat.

Dort sind auch Teslas Apparate, Skizzen und Manuskripte ausgestellt, es werden künstliche Blitze erzeugt und andere seiner vielen Experimente wiederholt. Das alles ist der orthodoxen Kirche so gar nicht geheuer.

Ministerium aufseiten des Museums

Nachdem die Kirche das Museum anklagte, die Urne mit Teslas Asche satanistischen Ritualen ausgesetzt zu haben, meldete sich endlich das Kultur- und Informationsministerium zu Wort, unter dessen Aufsicht sich das Museum befindet. Die Urne habe im Museum zu bleiben, verkündete das Ministerium, so wie es sich seine Familie vor über einem halben Jahrhundert gewünscht hatte.

Ob damit aber wirklich das letzte Wort im Streit um Teslas irdische Überreste gesprochen wurde, ist fraglich. Die Wege Gottes sind unergründlich, und ebenso die der Politiker. (Andrej Ivanji, 18.6.2015)