Helmut Qualtinger sei Dank! Seit er nach einem Fußballspiel 1956 seinen Travnicek "Simmering gegen Kapfenberg, das nenn i Brutalität" sagen ließ, ist dies in Abwandlung ein geflügeltes Wort. Fenninger gegen Schröcksnadel, tönt es also dieser Tage, das sei Brutalität. Richtig brutal wird es erst jetzt, da Anna Fenninger um ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Skiverband (ÖSV) und gegen ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel kämpft. Aber die Brutalität hat eine Geschichte. Bei Fenninger hat sich viel aufgestaut, anders ist ihr Ausbruch via Facebook kaum zu erklären. Sie sei "jahrelang hintergangen", Versprechen seien "nicht eingehalten" worden. Fenninger wirft dem ÖSV Machismus vor, fragt sich: "Sollte ich akzeptieren, dass ich als Frau immer zurückstecken muss?"
Der Eintrag trifft den richtigen Ton und hat nicht wenig für sich, wie man ja generell Fenningers Argumenten einiges abgewinnen kann. Klar ist, dass sie dem Verband viel verdankt, klar ist aber auch, dass sie das dem Verband wohl schon mehrfach abgegolten hat. Der ÖSV bindet seine Aktiven durch Vereinbarungen, die nicht zuletzt die Werbung betreffen, an sich und seine Partner, auch an Medienpartner wie ORF oder Kronen Zeitung. Wer einen eigenen Kopfsponsor aufstellt, muss den Verband um dessen Sanktus ersuchen. Konkurrenten von ÖSV-Sponsoren sind ausgeschlossen: Das ist die Crux im aktuellen Streitfall, da Fenninger mit Mercedes gegen ÖSV-Ausstatter Audi auftrat.
Es gibt Juristen, die von Knebelverträgen reden, einen Präzedenzfall herbeisehnen und an Marc Bosman erinnern, der belächelt worden war, ehe er das Transfersystem im Fußball revolutionierte. So gesehen liegt vielleicht noch einiges vor Fenninger. Dass es um die "Wertschätzung gegenüber Frauen" im ÖSV besser bestellt sein könnte, belegt ein Blick auf ÖSV-Gremien. 16 Männer und eine Frau bilden die Präsidentenkonferenz, der Vorstand setzt sich aus sieben Männern und einer Frau zusammen. Für die einzelnen ÖSV-Referate sind 44 Männer und zwei Frauen zuständig, in Gremien des Weltverbands (Fis) ist der ÖSV durch 40 Männer und vier Frauen vertreten.
Bei der Ski-WM im Februar holte Fenninger zweimal Gold und ein- mal Silber, also ein Drittel der ÖSV-Medaillen. Bei einer Siegerehrung wunderte sie sich: "Mir ist aufgefallen, dass die Töchter vergessen worden sind." Die Veranstalter in Vail hatten vom neuen Hymnentext gewusst, waren aber vom ÖSV angehalten worden, töchterlos zu singen. Auch das passt ins Bild eines Verbands, dessen Management nicht nur männlich geblieben, sondern auch alt geworden ist.
Skifahrer sind "weltberühmt in Österreich". Nur wenige werden über die Sport- und Landesgrenzen hinaus richtig bekannt, Herr Maier ist so einer gewesen, natürlich hat auch Frau Fenninger das Zeug dazu. Der ÖSV muss sich vorwerfen lassen, dass er sich weder beizeiten noch gut genug um eine junge, hoffnungsvolle Rennläuferin kümmerte. "Ich kann nicht mehr", so beendet Fenninger ihren Facebook-Eintrag. Am heutigen Donnerstag wird sie 26 Jahre alt, und Schröcksnadel verkündet in Wien, welche Konsequenzen der ÖSV zieht.
Ihre Karriere steht an der Kippe, sein Ruf ist ramponiert. In diesem Streit wird es am Ende keinen Sieger geben, und Österreich könnte eine herausragende Sportlerin verlieren. Qualtinger wäre gleichsam hocherfreut. Brutaler geht es nicht. (Fritz Neumann, 17.6.2015)