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Die Forscher warnen nicht vor der täglichen Ration an frischen Früchten, sondern vor einem Surplus an Fruktose durch Säfte, Limonaden und Fertiggerichte.

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Zürich – Fruktose hat in den vergangenen Jahrzehnten den Nahrungsmittelmarkt erobert, da sie als weniger schädlich als Glukose gilt. Im Gegensatz zu Glukose bewirkt Fruktose kaum eine Insulinausschüttung, und der Glukosespiegel im Blut steigt nur wenig. Außerdem empfindet der Mensch Fruktose als deutlich süßer im Geschmack.

Der Nachteil: Die Leber wandelt Fruktose sehr effizient in Fett um. Wer übermäßig viele Nahrungsmittel mit hohem Fruktoseanteil konsumiert, kann mit der Zeit an Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung mit Leberverfettung und Insulinresistenz leiden, ein Krankheitsbild das Mediziner unter dem Begriff "Metabolisches Syndrom" zusammenfassen.

Ungebremstes Herzmuskelwachstum

Wilhelm Krek und Peter Mirtschink von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich warnen nun vor einer weiteren "Nebenwirkung" der Fruktose. Die Forscher haben einen bis dato unbekannten molekularen Mechanismus entdeckt, der Fruktose als einen wesentlichen Treiber für unkontrolliertes Wachstum des Herzmuskels identifiziert, das bis hin zum tödlichen Herzversagen führen kann.

Leidet der Mensch unter Bluthochdruck, muss das Herz wachsen, um das Blut stärker in den Kreislauf pumpen zu können. Die wachsenden Herzmuskelzellen brauchen jedoch viel Sauerstoff. Da dieser aber während des erhöhten Wachstums nicht genügend zur Verfügung gestellt werden kann, stellen die Zellen ihre Energiegewinnung um.

Statt Energie aus Fettsäuren zu gewinnen, nutzen sie vermehrt die sogenannte Glykolyse, also die sauerstofflose Aufspaltung von Zucker. Steht den Herzmuskelzellen neben der Glukose auch Fruktose zur Verfügung, kann eine mitunter fatale Kettenreaktion in Gang kommen.

Schalter für Fruktose-Stoffwechsel umgelegt

Die Forschungsgruppe um Krek zeigte mit ihrer Studie auf, dass der Sauerstoffmangel in den Herzzellen das Molekül HIF auf den Plan ruft. Dieses ist ein universeller molekularer Schalter, der immer bei krankhaften Wachstumsprozessen, sei es bei Herzvergrösserung oder Krebs, in Aktion tritt. In den Herzmuskelzellen sorgt er dafür, dass das zentrale Enzym des Fruktose-Stoffwechsels, die Ketohexokinase-C (KHK-C), gebildet wird.

KHK-C hat eine hohe Affinität für Fruktose und kann diese daher sehr effizient verarbeiten. Die Bildung von KHK-C wirkt sich auch verstärkend auf die Glykolyse aus. Da die Verstoffwechselung von Fruktose keine negative Rückkopplung kennt, beginnt ein Teufelskreis, der zum Herzversagen führen kann.

Überprüft haben die Forscher diesen Mechanismus nicht nur an Mausmodellen, sondern auch an biologischen Proben von Patienten. Diese litten an krankhafter Herzvergrößerung mit entsprechender Verengung an der Herzklappe zur Hauptschlagader.

Bei Operationen am Herzen konnten Chirurgen Proben von Herzmuskelzellen gewinnen, in denen die Forscher mehr HIF- als auch KHK-C Moleküle nachweisen konnten. Bei Mäusen, die an chronischen Bluthochdruck litten, schalteten die Forscher das KHK Enzym aus. Dadurch ließ sich die Vergrößerung des Herzens tatsächlich verhindern.

Ein Gen, zwei Enzyme

Von KHK-C gibt es im Körper eine sehr ähnliche Variante, das Enzym KHK-A, das keine Vorliebe für Fruktose hat. Beide Enzyme haben aber den gleichen genetischen Code. Wesentlich ist, dass der Bauplan für die beiden Enzyme, also die Boten-RNS, die eine Abschrift des entsprechenden Gens ist, nach Bedarf von einem molekularen Schneidewerkzeug in verschiedener Weise zugeschnitten wird.

Somit können aus einem Gen zwei Baupläne und folglich zwei verschiedene Enzyme generiert werden, im Fachjargon "alternatives Spleißen" genannt. "Rund 95 Prozent aller Gene des Menschen werden alternativ gespleißt", sagt Krek, "nur so kann die außerordentliche Vielfalt an Proteinen, Enzymen und Regulatoren im menschlichen Körper überhaupt gebildet werden."

Normalerweise stellen nur Leberzellen das Fruktose-affine KHK-C-Enzym her. Die anderen Organe bilden fast ausschliesslich KHK-A. Die Forscher zeigten nun erstmals auf, dass auch ein Organ wie das Herz dazu in der Lage ist, das effizientere der beiden Enzyme zu erzeugen, wenn es krankhaften Stressoren ausgesetzt ist.

Dabei aktiviert HIF das molekulare Schneidewerkzeug SF3B1. Interessanterweise ist SF3B1 bei vielen Krebsarten häufig genetisch verändert, was möglicherweise darauf hindeutet, dass auch das Wachstum von Krebs durch Fruktose beeinflusst werden könnte.

Normaler Fruchtverzehr unbedenklich

Fruktose ist in zahlreichen Nahrungsmitteln, vor allem aber in Süßgetränken und Limonaden in großen Mengen enthalten. In den USA stieg so der Konsum von stark fruktosehaltigem Maissirup zwischen 1970 und 1997 von 230 Gramm pro Jahr und Kopf auf über 28 Kilogramm.

Der Verzehr einer normalen Tagesration Früchten ist laut den Forschern unbedenklich und gesund: "Früchte enthalten neben Fruktose auch zahlreiche wichtige Spurenelemente, Vitamine und Ballaststoffe. Vermeiden sollte man jedoch stark gezuckerte Limonaden und Fruchtsäfte – diese sind oft nachgesüßt. Ebenso manche Fertigprodukte, bei denen Fructose als Geschmacksverstärker eingesetzt wird."

"Dieses Surplus an Fruktose kann bereits dazu beitragen, den von uns beschriebenen Mechanismus in Gang zu setzen, wenn einer der Stressfaktoren wie Herzklappenerkrankungen oder Bluthochdruck vorhanden sind", so Peter Mirtschink. (red, 18.6.2015)