Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat angekündigt, bei Verpassen der Quote am Stichtag Kasernen zu öffnen.

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In der neuen Flüchtlingsunterkunft in einer Halle der Wiener Neustädter Arena Nova wurden Schlafplätze geschaffen.

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Wien/St. Pölten – "Wir wollen einen gemeinsamen Weg von Bund und Ländern", sagte der derzeitige Vorsitzende der Flüchtlingslandesräte Maurice Androsch am Freitag zur Frage der Asylunterbringung. Die Flüchtlingsreferenten hatten sich zuvor in St. Pölten zu einer Konferenz getroffen, um sich gemeinsam mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) über das weitere Vorgehen zu unterhalten.

Es war der Tag, an dem laut Ankündigung von Mikl-Leitner die Länder ihre Quote zu 100 Prozent zu erfüllen hätten. Schafften sie das nicht, müssten sie mit Bundesquartieren, etwa Kasernen leben, drohte Mikl-Leitner schon länger. Diese Drohung machte sie nicht wahr.

Wien, Niederösterreich und die Steiermark erfüllen die Quote ohnehin, dazu wurde aber auch Tirol und Salzburg noch eine Gnadenfrist gegeben. Da diese beiden Länder glaubwürdig Quartiere präsentiert hätten, die kommende Woche zur Verfügung stehen, können auch sie sich selbstständig organisieren.

Die vier anderen Länder werden es bis Ende nächster Woche nicht schaffen, die Vorgaben zu erfüllen. Das Innenministerium hat sich daher schon im Vorfeld nach Unterkünften in diesen umgesehen, die man als Bundesquartiere nützen könnte. Wo diese Unterkünfte stehen bzw. welcher Art sie sind und wie viele Flüchtlinge dort unterkommen werden, sagte Mikl-Leitner in einer Pressekonferenz nach der Landesflüchtlingskonferenz nicht. Sie will zuerst mit den betroffenen Bürgermeistern sprechen. Dass die Bundesquartiere in Kärnten, Vorarlberg, dem Burgenland und Oberösterreich kommen, ist aber fix.

Zehn-Punkte-Programm

Obwohl das Treffen kaum weitere konkrete Ergebnisse brachten, präsentierten die Landesflüchtlingsreferenten und Mikl-Leitner nach ihrer Konferenz ein Zehn-Punkte-Programm zur Verbesserung der Asylsituation in Österreich.

Auszüge des Programms:

  • Mehr Plätze: Seit August wurden 11.000 neue Plätze geschaffen. Die Landesreferenten bekennen sich dazu, auch weiterhin neue Plätze für Flüchtlinge aufzustellen. In Niederösterreich sollen etwa bis Juli 350 Plätze geschaffen werden, weitere 1.000 bis September.
  • Kasernen sollen aber weiterhin vermieden werden: "Die Kaserne Bleiburg zu öffnen war eine Option, aber wir haben uns mit dem Bürgermeister und dem Landesvorsitzenden darauf geeinigt, andere Plätze zur Verfügung zu stellen", sagte die Innenministerin. "Wir haben es geschafft, 110 Betten mit Beginn der nächsten Woche verfügbar zu machen. Mit weiteren 330 Betten, die wir in den nächsten Wochen für Bleiburg schaffen, überfüllen wir die Quote sogar", ergänzt Kaiser.

  • Neue Verteilerzentren: Flüchtlinge werden ab 20. Juli nach ihrer Deklarierung nicht mehr in die Erstaufnahmezentren Thalham oder Traiskirchen – wo allerdings weiterhin die sogenannten Dublin-Fälle untergebracht werden – überstellt, sondern in eines von sieben Verteilerzentren im ganzen Bundesgebiet. Das Burgenland und Vorarlberg bekommen keine eigenen Zentren, sondern werden von Wien und Tirol abgedeckt. Aus den Verteilerzentren sollen die Flüchtlinge dann auf ordentliche Quartiere aufgeteilt werden.
  • Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: Es gibt eine Zusage des Innenministeriums, den Ländern die tatsächlichen Kosten für die Unterbringung abzugelten. "Wir haben Projekte und Angebote, um 200 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Wien zu betreuen, geschaffen. Wien hat in Eggenburg eine Immobilie, eine frühere Einrichtung der Jugendwohlfahrt", sagt die Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Dort sollen von der Caritas unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut werden.

  • Unterbringung in Privatbereich: Der Aufwand soll abgegolten werden können. "Innenmisterin Mikl-Leitner versteht unsere Anliegen und wird diesen Punkt mitnehmen", sagte der niederösterreichische Landesrat Maurice Androsch (SPÖ).
  • Integration: "Es ist wichtig, dass wir ein Kommittent abgeben", sagt Androsch. Es brauche für Asylsuchende weitere Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, eine Tagesstruktur und Deutschkurse. Diese müssen zur Verfügung gestellt und finanziert werden.
  • Schlepperbekämpfung: Flüchtlingsströme müssten genau betrachtet werden. Es gelte, Maßnahmen zu finden, um Schlepperei dort abzufangen, wo große Bewegungen stattfinden.
  • EU-Quoten: Die Landesreferenten wollen eine sozial gerechte Aufteilung der Flüchtlinge in Europa. "Wir müssen in der Europäischen Union Problemen gemeinsam begegnen, wir stehen vor einer der größten Herausforderungen. Es kann nicht sein, dass Jahresaufnahmen in einem Mitgliedsstaat gleich hoch sind, wie jene in Österreich in nur wenigen Tagen", sagte der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ).

Kasernen sollten von vornherein vermieden werden

Die Vertreter der Länder beharrten schon vor der Konferenz darauf, die Öffnung von Kasernen für Flüchtlinge zu vermeiden. Die Landesflüchtlingsreferenten Tirols und Kärntens betonten, genug Ersatzplätze zur Verfügung stellen zu können. In Vorarlberg wiederum wollte man die vom Innenministerium in Aussicht gestellten Container nicht.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) berichtete, es sei gelungen 100 alternative Plätze zu jenen, die seitens des Ministeriums in der Kaserne Bleiburg vorgesehen sind, aufzustellen. Davon wären auch 20 für unbegleitete Minderjährige geeignet. Zudem seien 150 bis 200 weitere Plätze in Kärnten in Vorbereitung.

Dass Kärnten die Quote seit Monaten nicht erfüllt, verteidigte Kaiser. Man könne "nicht irgendetwas" anbieten. Vielmehr müssten die Plätze qualitätsvoll sein, und es müsse Akzeptanz der örtlichen Bevölkerung geben.

Auch Vomp "vom Tisch"

Die Tiroler Soziallandesrätin Christine Baur (Grüne) betonte, dass aus ihrer Sicht die vom Innenministerium angedachte Kaserne Vomp als Flüchtlingsunterkunft "derzeit vom Tisch" sei. Dem Land sei es gelungen, in der Region entsprechend viele Ersatzquartiere aufzustellen. Ohnehin sei es in Tirol geschafft worden, bis zum Treffen am Freitag die Vorgaben zu erfüllen.

Ganz so weit ist man in Vorarlberg laut Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler (ÖVP) nicht. Er konnte bloß von einer 95-prozentigen Quotenerfüllung berichten. Das habe er der Innenministerin auch schon im Vorfeld angekündigt. Mikl-Leitner wiederum hatte in den "Vorarlberger Nachrichten" vom Freitag angekündigt, wegen des Verfehlens der Quote in Vorarlberg die Errichtung von Containern zu prüfen. Schwärzler glaubt nicht, dass es dazu kommt, zumindest nicht bald. Er gehe nicht davon aus, dass nächste Woche in Vorarlberg Container aufgestellt werden.

Pröll fordert Führungskompetenz von Faymann

Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und sein steirischer Amtskollege Hermann Schützenhöfer (ÖVP) haben am Freitag anlässlich eines Arbeitsgesprächs in St. Pölten von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in Sachen Asylwesen Führungskompetenz eingefordert. Es könne nicht sein, dass sich die Regierungsspitze einfach zurücklehne und die Dinge treiben lasse, so Pröll.

Er richtete daher an Faymann den "dringenden Appell", sich so rasch wie möglich auf europäischer Ebene um eine Problemlösung zu bemühen. Dazu solle in bilateralen Gesprächen mit den Mitgliedsstaaten und im Besonderen mit den Nachbarländern Kontakt aufgenommen werden. Allein Tschechien würde nur 600 Flüchtlinge beherbergen, während man in Österreich mehrere tausende Asylwerber betreue, so Pröll.

Wichtig sei auch die Frage an den Bundeskanzler, ob dieser bei seinem Griechenland-Besuch mit Ministerpräsidenten Alexis Tsipras über die Asylproblematik gesprochen habe. Immerhin komme ein Gutteil der Flüchtlinge über Griechenland nach Österreich. Pröll sprach von etwa 4.000 Anträgen in diesem Zusammenhang.

Zwist in Wiener Neustadt

"In Traiskirchen sind alle Grenzen gesprengt", sagte Pröll. Der Wiedereinführung von Grenzkontrollen kann er eher wenig abgewinnen. "Mauern hochzuziehen" sei zwar eine Maßnahme, er warnte aber vor "übereiligen" Schritten. Denn das hätte auch für die Bürger eine Einschränkung der Reisefreiheit zur Folge.

In Niederösterreich seien seit Ende Mai trotz Übererfüllung der Asylquote weitere 300 Quartiere geschaffen worden, sagte er. Bis Ende Juni sollten zudem in der Veranstaltungshalle Arena Nova in Wiener Neustadt 400 weitere Plätze entstehen. Diese Zahl konnte die städtische FPÖ bei einer Aussprache am Freitag herunterschrauben, die Stimmung in der Stadtregierung ist dennoch angespannt.

Es sei zwar gelungen, die Anzahl der Flüchtlinge auf 250 zu reduzieren, dies ist aber laut Aussendung der FPÖ "kein Garant für eine weitere Zusammenarbeit". Außerdem habe man klargestellt, dass nach Ablauf der Frist (Ende August, Anm.) keine Bleibe zur Verfügung gestellt werde: "In unserer Verantwortung wird es kein Massenlager in Wiener Neustadt geben", betonte Bürgermeister-Stellvertreter Michael Schnedlitz (FPÖ).

Die Zusammenarbeit zwischen ÖVP, FPÖ, Grüne und zwei Namenslisten in Wiener Neustadt nach den Gemeinderatswahlen im Jänner ist erst wenige Monate alt. (APA, 19.6.2015)