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Gewinner und Verlierer im Zyklus der globalen Katastrophen: Der frühe Dinosaurier Coelophysis profitierte vom vierten großen Massenaussterbeereignis vor 201 Millionen Jahren. Danach wurden die Dinosaurier zur dominierenden Tiergruppe an Land – bis das fünfte Ereignis vor 66 Millionen Jahren dem ein Ende setzte. Die künftigen Gewinner des vielleicht bereits begonnenen sechsten Massenaussterbens leben bereits unter uns. Welche Gruppe das sein wird, ist offen – laut einer aktuellen Studie werden wir es aber nicht sein.

Illustration: REUTERS/HO/Doug Henderson

Miami – Die Erdgeschichte lässt sich nicht weniger an Ereignissen festmachen, die massenhaften Tod mit sich brachten, als die menschliche Historie. Die einzelnen Erdzeitalter werden vor allem aufgrund starker biologischer Veränderungen voneinander unterschieden. Damit sich aber die charakteristische Flora und Fauna einer Ära entwickeln konnte, musste erst die der vorangegangenen Epoche weichen. Oft geschah dies aufgrund katastrophaler Ereignisse, die binnen relativ kurzer Zeit eine längere Phase der Stabilität beendeten.

Die "Big Five"

In der Geschichte des Lebens gibt es eine lange Reihe von Massenaussterbeereignissen auf regionaler oder sogar globaler Ebene. Fünf davon hatten jedoch so drastische Auswirkungen, dass sie traditionell über alle anderen gestellt werden: Das bekannteste vor knapp 66 Millionen Jahren, das alle Dinosaurier mit Ausnahme der Vögel dahinraffte. Und das war noch vergleichsweise milde angesichts des größten der fünf Ereignisse: Nämlich vor 252 Millionen Jahren, als schätzungsweise 90 bis 96 Prozent aller Spezies ausstarben.

Weitere Katastrophen von beinahe gleicher Größe ereigneten sich vor 440 bis 450 Millionen Jahren, vor 375 bis 360 Millionen Jahren und vor etwa 201 Millionen Jahren. Aus dem Fossilienbefund rechnen Paläontologen vor, dass dabei jeweils zwischen 60 und 75 Prozent der damaligen Spezies ausstarben.

Die mögliche Nummer Sechs

Insofern ist es starker Tobak, wenn eine Studie nun zum Befund kommt, dass das sechste große Massenaussterben begonnen habe. Wissenschafter der drei US-Universitäten Princeton, Stanford und Berkeley sowie der Universidad Nacional Autonoma de Mexico berichten in der Zeitschrift "Science Advances", dass in unserer Gegenwart die Arten etwa hundert Mal schneller aussterben als in früheren Phasen.

Die "Big Five" liefen nicht nur unterschiedlich schnell ab, sie hatten auch verschiedene Ursachen. Und nicht bei allen herrscht in der Wissenschaft Einigkeit darüber, was der Auslöser war: Ob Asteroideneinschlag, erhöhte vulkanische Aktivität, Klimawandel oder Versauerung der Ozeane – oder ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Das für die Gegenwart postulierte Massenaussterben lasse sich hingegen auf einen eindeutigen Faktor zurückführen: menschliche Aktivität und deren Folgen.

Starke Beschleunigung der Aussterberate

Für ihre Analyse werteten die Forscher um Gerardo Ceballos von der Universidad Nacional Autonoma de Mexico das Aussterben von Wirbeltier-Arten aus, die Befunde können dabei allerdings nur grobe Schätzwerte sein. In früheren Phasen starben ihren Erkenntnissen nach pro Jahrhundert zwei von 10.000 Wirbeltierarten aus. "Die Rate im zurückliegenden Jahrhundert war bis zu 114 Mal höher, als sie es ohne menschliche Aktivität gewesen wäre", heißt es in der Studie. Und dies selbst, wenn die zurückhaltendsten Schätzungen zugrunde gelegt würden.

Es gebe "keine relevanten Zweifel" daran, "dass wir in eine sechste große Welle des Massenaussterbens eintreten", sagte Co-Autor Paul Ehrlich von der Stanford University. Ceballos ergänzt, dass dies auch die Spezies Mensch betreffen werde – und zwar zu einem eher frühen Zeitpunkt inmitten der allgemeinen Aussterbewelle.

Erholung würde lange dauern

Die Gründe für das beschleunigte Artensterben liegen der Studie zufolge unter anderem in der vom Menschen ausgelösten Klimaerwärmung, in der Umweltverschmutzung und in großmaßstäblicher Waldrodung. Nach Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN sind 41 Prozent aller Amphibien-Arten und 26 Prozent aller Säugetier-Arten vom Aussterben bedroht. "Es gibt Beispiele für Arten auf der ganzen Erde, bei denen es sich praktisch um wandelnde Leichen handelt", so Ehrlich.

Die Autoren verbinden ihre Befunde mit einem eindringlichen Appell: Die Menschheit müsse ihre Bemühungen zum Erhalt bedrohter Arten "schnell erheblich verstärken". Insbesondere müssten der Verlust des natürlichen Lebensraums, die Ausbeutung der Natur und der Klimawandel angegangen werden. Ohne Gegensteuern würde es Millionen Jahre dauern, bis sich unser Planet erhole, sagt Ceballo. (red/APA, 21.6. 2015)