Karmasin protestiert aufs Schärfste gegen den geplanten Sexualkundeerlass. Kinder würden zu früh indoktriniert, überfordert, verstaatlicht würde gar ihre Sexualität. Die Eltern entmachtet und geknechtet. Hört man diese Einwände, kommt das Gefühl auf, die Beschlüsse beinhalteten Gruppenselbsterfahrung ab der ersten Klasse, weiterführende Sexspielzeug-Module und verpflichtende begleitete Ausflüge in Dark Rooms verruchter Kneipen in der Oberstufe.

Erstaunlicherweise fühlten sich Eltern im Bereich der Philosophie, des Deutschunterrichts, der Mathematikstunden weder entmachtet noch geknechtet, auch wenn sie nicht aktiv in die Gestaltung des Lehrplans eingebunden waren. Auch in Geografie hielt sich der Entrüstungssturm bis jetzt in Grenzen. Was an vorsichtiger altersgerechter Aufklärung ein Verstaatlichen sein soll, erschließt sich nicht.

Einige Kinder hätten sich in der Vergangenheit darüber gefreut, nicht mit ihren Unsicherheiten alleingelassen worden zu sein, weil die Eltern schwiegen. Andere hätten sich viel Leid erspart, wäre es möglich gewesen, offen über Homosexualität zu sprechen – ohne sicheren Familienskandal. Eltern, die perfide Sexüberflutung ihrer Kinder befürchten, müssten als allererste Handlung den Früchten ihrer Lenden Handy und Computer abnehmen. Was hier an Überforderung in die Kinder- und Jugendzimmer schwappt, ist weitaus bedrohlicher. (Julya Rabinowich, DER STANDARD, 22.6.2015)