Parissa Haghirian (Vierte von links) mit ihren Studenten aus dem Kurs "Management in Japan".

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"Da waren lauter Opis im Kollegium, aber die waren sehr lieb zu mir": Parissa Haghirian erzählt von ihrem Start in Japan.

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Sie ist die einzige österreichische Professorin im Bereich Internationales Management in Japan und eine von nur drei westlichen Frauen in diesem Bereich: Was hat die 1970 in Graz Geborene nach Tokio geführt? Sie wollte ursprünglich nur Sprachen studieren, geworden ist es eine Kombination aus Japanisch und BWL.

Der Japanbezug war früh da, schon als Studentin hat sie vier Jahre in Asien gelebt, zwischen 20 und 27 für verschiedene japanische Firmen gearbeitet. An der WU in Wien hat sie 2003 ihren PhD zu "Communicating Corporate Knowledge within European-Japanese Multinational Corporations" abgeschlossen – und war ihrer Zeit voraus: "Die Kombination aus Geisteswissenschaften und BWL, das ging damals gar nicht. Die Arbeitsbedingungen an der WU waren eine Katastrophe, bei meiner Dissertation konnte ich beide Ansätze nicht verbinden. Da musste nach Vorschrift geforscht werden."

"Opis" im Kollegium

Also folgte sie einem Ruf als Assistenzprofessorin nach Fukuoka in Südjapan, als erste Frau und erste Ausländerin an der Fakultät. "Da waren lauter Opis im Kollegium, aber die waren sehr lieb zu mir", erzählt sie lachend. 2006 konnte sie dann nach Tokio wechseln, interkulturelles Management begann da gerade en vogue zu werden. "Auf einmal war das ideal, was ich studiert hatte, ich hatte einen eigenen Zugang, weil BWL allein nicht abdecken kann, was da gefordert ist." Es folgten ganz klassisch Assistant- und Associate-Professur, seit April dieses Jahres hat sie eine volle Professur an der Sophia-Universität in Tokio.

"Ich war die Letzte, die auf Lebenszeit angestellt wurde", erzählt sie. "In Japan ist man entweder angestellt, dann ermöglicht einem das auch eine gute Planbarkeit der akademischen Laufbahn, oder es gibt gar keine Regeln. Ist man erst einmal in dem System drinnen, ist die Universität sehr unterstützend." Die Universität als Arbeitgeber begrüße den Austausch mit Firmen: "Man wird nicht behindert, solange man den Lehrauftrag gut erfüllt. Von der WU kommend, hat mir das viel Antrieb gegeben."

10.000 Euro für Studienjahr

Über 700 Unis gebe es in Japan, rund 100 bis 250 Bewerberinnen kämen auf eine Professorenstelle an ihrer Uni. "Die Sophia University ist unter den Top drei der privaten Universitäten", erklärt sie. "Rund 22.000 Studenten machen die Aufnahmeprüfung, aber nur 1200 bekommen einen Platz." Ein Studienjahr inklusive Platz im Wohnheim koste an der Privatuni umgerechnet rund 10.000 Euro, aber es gebe ein gutes Stipendiensystem, die staatlichen Unis seien billiger.

Japanische Unis seien extrem bürokratisch, aber auch extrem demokratisch: "Der größte Unterschied zu Österreich ist die Grundeinstellung, dass der Einzelne nie gescheiter ist als alle anderen. Das führt zu einem völlig anderen Führungsstil. Alle dürfen sich einbringen, aber auch alle müssen mitreden", erklärt sie. Das führe manchmal zu längeren Diskussionsprozessen. "Bei uns an der Uni geht es schneller, da sind die Hälfte an der Fakultät Ausländer", sagt sie lachend.

Interkulturelle Wurzeln

Dem interkulturellen Management habe sie sich erst langsam angenähert: "Ich wollte das Thema wirklich nicht machen", erklärt sie. Parissa ist ein persischer Name, ihr Vater kommt aus dem Iran. "Ich bin immer wieder auf meine interkulturellen Wurzeln angesprochen worden und wollte mich nicht damit befassen. Aber manche Themen holen einen halt ein."

"An der WU ist mir noch gesagt worden: Das wird sich erledigen, heute spricht eh schon jeder Englisch. Aber da haben sie sich getäuscht", sagt sie. Heute unterrichtet sie im Executive-Training-Programm der Europäischen Union, das europäische Manager für Japan vorbereitet. "Es braucht schon eine wissenschaftliche Basis, um solche Dinge wertfrei zu bearbeiten", ist sie überzeugt.

An einer österreichischen Universität zu arbeiten kann sie sich nicht mehr vorstellen. Aber: "So weit wegzuziehen hört sich schon leichter an, als es ist", sagt sie. "Ich habe mich jahrelang gemartert – bleibe ich dort oder nicht?" Heute hat sie einen Zweitwohnsitz in Wien und kommt vier- bis fünfmal im Jahr nach Europa. "Für mich hat sich das gut entwickelt", zieht sie Resümee: "Jetzt haben wir fast 40 Prozent Frauen an der Fakultät, aber es war schon hart, für mich gab es keine Role-Models."

Rückkehr trotz Fukushima

Im Jahr der Nuklearkatastrophe von Fukushima, 2011, war sie gerade freigestellt und hatte eine Gastprofessur in München – trotzdem entschloss sie sich danach, nach Tokio zurückzukehren. "Auf einmal nicht mehr im ‚Feld‘ zu forschen hat mich wahnsinnig gestört", erklärt sie. Also lebt sie mit der Gefahr, genauso wie mit den Erdbeben: "Man gewöhnt sich daran. Schlimm ist es nur, wenn ich gerade unterrichte und die Verantwortung für die Studenten habe, das ist schon eine Belastung."

Trotzdem überwiegt die Begeisterung: "Mit ersten Juni ist in Japan gerade ein neuer Corporate-Governance-Kodex erlassen worden, der vorsieht, dass jeweils zwei unabhängige externe Direktoren in Aufsichtsräten vertreten sein müssen – Frauen bevorzugt. Er soll den japanischen Unternehmen neue Impulse geben. Das wird spannend zu beforschen." (Tanja Paar, 22.6.2015)