Innsbruck/Wien/Bukarest – Rumänische Behördenvertreter und Nichtregierungsorganisationen haben Außenministers Sebastian Kurz (ÖVP) scharf kritisiert. Kurz hatte vorgeschlagen, die Familienbeihilfe für EU-Bürger zu kürzen, deren Kinder in ärmeren Herkunftsländern leben. Arbeitsministerin Rovana Plumb erklärte am Sonntag, Kurz' Aussagen seien rechtlich falsch und politisch inakzeptabel.

Man werde "keine Form der Diskriminierung rumänischer Bürger akzeptieren", so Plumb. Sie habe "mit Bestürzung und Enttäuschung" von den Vorschlägen erfahren. Derartige Maßnahmen würden ihrer Ansicht nach gegen die Prinzipien der "Antidiskriminierung und der Freizügigkeit" verstoßen.

Kurz hatte zuletzt anlässlich des Besuchs des britischen Außenministers Philipp Hammond Zahlungen von Sozialleistungen ins EU-Ausland thematisiert und Rumänien als konkretes Beispiel erwähnt. Er verlangte in Anlehnung an britische Forderungen eine EU-weite Reform im Sinne einer Anpassung der Zahlungen an das jeweils ortsübliche Niveau. "Österreich überweist für zwei Kinder unter zehn Jahren 300 Euro", was fast einem rumänischen Durchschnittseinkommen entspreche.

Die rumänische Familienbeihilfe mache demgegenüber nur 30 Euro aus, argumentierte Kurz. 2013 sind 11,3 Millionen Euro an österreichischer Familienbeihilfe nach Rumänien geflossen, eine Steigerung um 260 Prozent gegenüber 2010, hatte er zuletzt unter Berufung auf Daten des Finanzministers vorgerechnet.

"Ungerechtfertigt"

Auch das rumänische Außenministerium erklärte in einer Aussendung, Österreich drohe, arbeitende Rumänen zu "Opfern innenpolitischer Streitigkeiten" zu machen. Die Hervorhebung der rumänischen Arbeitnehmer sei ungerechtfertigt: Unter den Familienbeihilfe-Empfängern anderer EU-Staatsangehörigkeit in Österreich befänden sich die Rumänen bloß auf Platz fünf. Knapp 40.000 Rumänen arbeiten derzeit in Österreich (Stand Mai laut Statistik Austria).

Der Dachverband rumänischer Vereine in Europa (FADERE) erklärte in Anspielung auf die Affären um die Verwicklung österreichischer Holzindustrieunternehmen in illegale Waldrodungen in Rumänien, Österreich wolle nun nach den rumänischen Wäldern die Beihilfen für rumänische Kinder beschneiden.

Karmasin sieht Vorschlag neutral

Familienministerin Sophie Karmasin hat sich hinsichtlich der Überlegung von Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP), Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe für gewisse EU-Bürger zu kürzen, bedeckt gehalten. "Ich sehe das neutral", sagte Karmasin am Montag am Rande einer Pressekonferenz in Innsbruck. Sie trat für eine gesamteuropäische Lösung ein.

Karmasin erinnerte an die von der EU eingerichtete Arbeitsgruppe, die ab Herbst tagen werde. Dort müsse dies diskutiert werden. Die Ministerin betätigte die im "Kurier" vermeldeten Berechnungen ihres Ressorts, die von einer Einsparung von rund 50 Millionen Euro bei einer Valorisierung der Familienbeihilfe, also bei einer Anpassung an die Lebenskosten im Herkunftsland, ausgingen. Kurz hatte sich im Wesentlichen gegen jene Regelung gewandt, wonach in Österreich erworbene Ansprüche auf Sozialleistungen wie beispielsweise die Familienbeihilfe auch an Angehörige in deutlich ärmeren Ländern in voller Höhe gewährt werden. (APA, 22.6.2015)