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Gelbe Regenschirme wurden 2014 zum Symbol für Proteste der Demokratieaktivisten in Hongkong. Pekings Sorge hinsichtlich "farbiger Revolutionen" lässt die Regierung Gesetze verschärfen.


Foto: Reuters/Tyrone Siu

Chinas mächtige Parteiführer wirken, als ob sie nichts aus der Ruhe bringen könne. Doch nach innen reagieren sie alarmiert auf zwei Wörter, die im Chinesischen "Yanse Geming" heißen. Die Massenproteste unter dem Namen "farbige Revolutionen" seien "gar nicht so friedlich", wie sie sich geben, schreibt jüngst das Parteiorgan Renmin Ribao. Sie hätten die frühere Sowjetunion und Staaten im Mittleren Osten und Nordafrika zu Fall gebracht – und stünden auch hinter Studentenprotesten in Hongkong und Taiwan.

Das Thema treibt Chinas Regierung um, zumal sie den USA unterstellt, Massenproteste zum Sturz von dem Westen nicht willkommenen Systemen zu steuern. "Farbige Revolutionen", schreibt der Pekinger Politologe Jin Canrong von der Renmin-Universität, tarnten ihre "nackte Einmischung" hinter Forderungen nach Menschenrechten oder Demokratie. Am Ende folgten Gewalt, Chaos und Zusammenbruch.

Verschwörungstheorien haben in der Volksrepublik Konjunktur. Die Warnung Jins war keine Einzeläußerung, sondern Teil einer Propagandaoffensive. Das KP-Organ Volkszeitung druckte jüngst eine Sonderseite zur Gefahr "farbiger Revolutionen".

Woran Xi ständig denkt

Die latente Furcht des Staats- und Parteichefs Xi Jinping vor der Korrosion der Macht kam schon kurz nach seinem Amtsantritt zum Ausdruck. 2013 stellte er die Frage, wie standfest die 87 Millionen KP-Mitglieder sind, wenn es darauf ankommt. "Das ist etwas, woran ich ständig denken muss: Werden sie die Parteiführung und das sozialistische System wie selbstverständlich verteidigen, wenn sich vor unseren Augen eine farbige Revolution abspielt?"

Peking vertraut zur Gefahrenabwehr nicht mehr nur auf Ideologiekampagnen und Repression. Über den Volkskongress hat die Parteiführung seit Anfang 2015 im Eiltempo neue Bestimmungen auf den Weg bringen lassen. Die Entwürfe von drei Gesetzen passierten bereits Lesungen im gesetzgebenden Parlamentsausschuss. Sie können dieses Jahr in Kraft treten. Am 25. Mai gab der Volkskongress bekannt, zusätzlich einen umfassenden Gesetzentwurf zur Kontrolle des Internets auf die Tagesordnung setzen zu wollen.

Ein neues Sicherheitsgesetz erlaubt mit 82 Paragrafen Partei und Sicherheitsbehörden, jeden Bereich des öffentlichen und privaten Lebens in China für sicherheitsrelevant zu erklären und zu intervenieren. Ebenso willkürlich stellt ein NGO-Gesetz in 67 Paragrafen alle mit dem Ausland verbundenen Sozial- und Umweltinitiativen, Stiftungen oder andere Organisationen unter die Kontrolle der Polizei. Diese darf NGO-Büros auf Verdacht hin durchsuchen, Unterlagen und Bankkonten inspizieren, Pläne einsehen und Mitarbeiter befragen.

Heftiger Widerspruch

Gegen den Generalverdacht regt sich Widerspruch. Laut John Kamm, Direktor der USA-Initiative Duihua (Dialog), der über gute Kontakte zu Chinas Behörden verfügt, gab es innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist mehr als 1.000 Eingaben. Stiftungen, Botschaften, Handelsgruppen, Wirtschaftskammern von den USA bis zur EU fanden das Gesetz fatal.

Die schärfste Kritik kam von chinesischen Juristen. Das Regelwerk passe nicht zur "Politik von Reform und Öffnung", schrieben 30 Anwälte aus 13 Provinzen Chinas, die ihren Protest namentlich unterzeichneten. Es stelle selbst die repressive NGO-Gesetzgebung Wladimir Putins in den Schatten.

Mit einheimischen NGOs meint Peking besser umzugehen: In einem neuen "Weißbuch zur Lage der Menschenrechte" lobt sich Peking selbst für seinen Umgang mit Sozial-, Umwelt- oder Anwaltsinitiativen. Bis Ende 2014, heißt es darin unter anderem, seien beim Zivilministerium 600.000 NGOs registriert gewesen, darunter waren 4417 Stiftungen. (Johnny Erling aus Peking, 23.6.2015)