Roni N. (Name geändert) in der Vorarlberger WG.

Foto: DIETMAR STIPLOVSEK

Alberschwende – Roni N. (Name von der Redaktion geändert) ist einer von acht Männern aus Syrien, die im Bregenzerwälder Dorf Alberschwende Zuflucht gefunden haben. Die Männer-WG wohnt in einem alten Holzhaus, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Das Mobiliar ist bunt zusammengewürfelt. Roni sitzt in der guten Stube, die bis auf einen Tisch, Stühle und einen Fernseher fast leer ist.

Gerne würde er in diesem Dorf bleiben, sagt der 37-Jährige, "Die Menschen hier behandeln mich, als wären sie meine Familie." Seit Ende Jänner ist der Kriegsflüchtling in Alberschwende, schnell hat sich der geschickte Handwerker integriert. Doch er muss in ständiger Angst leben. Jedes Polizeiauto auf der vielbefahrenen Straße vor dem Haus lässt den Mann zusammenzucken: "Kommen sie mich jetzt holen?"

Jederzeit kann die Polizei mit einem Festnahmeauftrag im Haus stehen. Denn Roni ist noch nicht für das Asylverfahren zugelassen. Er fällt unter das Dublin-III-Abkommen, das heißt ein anderer EU-Staat ist das Erstaufnahmeland, Österreich kann ihn innert sechs Monaten in dieses Land überstellen. Roni musste seine Fingerprints in Italien abgeben, erzählt er. Keinesfalls freiwillig, wie er betont. "Menschen in Zivil haben uns gesagt, sie brauchen die Fingerabdrücke zur Datenerfassung. Das sei kein Asylantrag." Wer verweigerte, wurde beschimpft. Einige auch geschlagen. Roni will nicht nach Italien: "Was soll ich dort? In Italien haben sie keine Arbeit für mich."

Gefangennahme und Drangsalierung

Roni, Angehöriger der kurdischen Minderheit in Syrien, flüchtete, nachdem er um sein Leben fürchten musste, keine Existenzgrundlage in seinem kleinen Dorf mehr hatte. Er geriet zwischen die Fronten der bewaffneten kurdischen Partei PYD und der Freien Syrischen Armee, wurde gefangen genommen. Nach der Freilassung hätten ihn beide Gruppen drangsaliert. Er flüchtete in die Türkei, flog von dort nach Algerien, mit einem Bus weiter nach Libyen. Dann über das Mittelmeer nach Italien. 5500 Euro habe ihn die Flucht gekostet.

Auf einen Bootsplatz musste er 21 Tage lang warten. Zehn Stunden würde die Fahrt dauern, hätten die Schlepper gesagt. "Aber wir waren drei Tage auf dem Meer." Aufgebracht erzählt der sonst so ruhig wirkende Mann von der Überfahrt: "Die haben einfach einem der Flüchtlinge Kompass und Handy in die Hand gedrückt, der sollte das Boot steuern." Die Geräte waren nicht funktionstüchtig, der Mann hatte keine Erfahrung im Navigieren. Die Überfahrt der 150 Menschen wurde zur Irrfahrt.

"Wir hatten nichts mehr zu essen, kein Wasser mehr. Nach drei Tagen haben uns die Italiener gerettet." Für Roni stand das Ziel Austria von Anfang an fest. "Ich wollte nach Austria, weil ich von Verwandten gehört habe, dass man hier die Menschenrechte ernst nimmt." Ein Leben in Freiheit für sich und seine Familie, mehr möchte er nicht. Ehefrau und drei kleine Kinder hat er in einem kleinen Dorf an der türkischen Grenze zurückgelassen. Sein sehnlichster Wunsch: "Ich möchte, dass meine Kinder in einem Land aufwachsen, das sicher ist, in dem sie eine gute Ausbildung bekommen und das Gesundheitssystem funktioniert."

Der junge Kurde landete aus purem Zufall im Bregenzerwald. Traiskirchen war überfüllt, so schickte man auch Dublin-Fälle, die normalerweise bis zur Überstellung in den Erstaufnahmezentren bleiben müssen, in die Bundesländer. Binnen sechs Monaten müsste Österreich den Neobregenzerwälder nach Italien überstellen. Für Roni läuft die Frist in wenigen Wochen ab. Dann könnte er in Österreich ein reguläres Asylverfahren bekommen. Er möchte in Alberschwende bleiben. Hier sind geschickte Handwerker gefragt. Zwei Jobangebote habe er bereits, erzählt Roni stolz. "Ich möchte nicht vom Staat leben, will selbst für meine Familie sorgen können. Hier hätte ich die Chance." Engagierte Menschen kämpfen für das Bleiberecht von Roni und seinen Landsleuten. Bei ihnen haben die acht Syrer längst Asyl. (Jutta Berger, 12.5.2015)