Im Königspalast von Tell el-Dab'a entdeckte Manfred Bietak das Skelett einer fünfjährigen Stute. Sie war wohl der Liebling des Königs: Das Tier wurde direkt hinter dem Thronsaal bestattet und ist der früheste Nachweis eines Pferdes auf ägyptischem Boden.

Foto: Archive der ÖAW und des ÖAI

Der Archäologe in seinem Habitat: Manfred Bietak bei seinen Ausgrabungen in Auaris.

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Der Grundriss des Palastes von Tell el-Dab'a.

Graphik: ÖAI

Ein Keilschriftdokument aus Auaris belegt weitreichende Beziehungen der Hyksos im Nahen Osten.

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Ausgrabungen auf dem Gelände des Königspalastes von Auaris. In der Mitte ist eine Opfergrube voll mit Tongefäßen sichtbar.

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Verschiedene Keramiktypen unterschiedlicher Herkunft geben Aufschluss über Handelsbeziehungen.

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Wien – In der jahrtausendelangen Geschichte der altägyptischen Pharaonen stellt die Epoche zwischen dem Mittleren und dem Neuen Reich, die sogenannte Zweite Zwischenzeit, einen der unübersichtlichsten Abschnitte dar. Mehrere Dynastien herrschten vor rund 3600 Jahren teilweise parallel in den verschiedenen Landesteilen.

Im östlichen Nildelta etablierte sich ein Reich, deren Könige nicht aus Ägypten, sondern aus dem levantinischen Raum stammten. Diese Hyksos, die "Herrscher der Fremdländer", wie sie von den Ägyptern genannt wurden, fristen in der Geschichtsschreibung ein eher stiefmütterliches Dasein. Die Ägyptologie als großteils textbasierte Geschichtswissenschaft tat sich von jeher schwer mit dieser Epoche, die nur wenige textliche Quellen hinterlassen hat. So können viele Fragen wie jene nach der Herkunft der Hyksos, ihren kulturellen Einflüssen und ihrem Verschwinden nur unbefriedigend beantwortet werden.

Der Wiener Ägyptologe Manfred Bietak hat ab 1966 jahrzehntelang die Ausgrabungen der riesigen Hyksos-Hauptstadt Auaris in Tell el-Dab'a im Nildelta geleitet. Daneben haben Teams aus Kanada, Frankreich, Polen und der Slowakei Spuren derselben Kultur in der Region nachgewiesen.

Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und das massenhaft gesammelte historische Quellenmaterial bilden nun die Basis, um die offenen Fragen beantworten zu können: Bietak hat für sein Forschungsprojekt "The Hyksos Enigma – Das Rätsel um die Herkunft der Hyksos" vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen Advanced Grant über fünf Jahre und rund 2,4 Millionen Euro erhalten.

Diese Förderung aus dem Topf des EU-Forschungsprogramms Horizon 2020 richtet sich an arrivierte Wissenschafter, die eine entsprechende Karriere vorweisen können. Während 90 Prozent der Anträge abgelehnt werden, beurteilten alle fünf unabhängigen Gutachter das Projekt des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften als außergewöhnlich. Der ERC betreibt bei der Vergabe der Grants keine Altersdiskriminierung, wie Bietak anerkennend hervorstreicht. Der Emeritus der Universität Wien, der im Herbst 75 Jahre alt wird, hat so die Möglichkeit, mit der Lösung des Hyksos-Rätsels sein Lebenswerk zu krönen und dieses Kapitel der Geschichte neu zu schreiben.

Bietak verfolgt in seinem Programm multidisziplinäre Ansätze: Die Ergebnisse der archäologischen und historischen Forschungen werden mit Methoden der Biologie und Geochemie ergänzt. Dazu wird ein Team aus Forschern verschiedener Institutionen zusammengestellt.

Einer der Projektpartner ist der Bioarchäologe Holger Schutkowski der südenglischen Bournemouth University, der anhand menschlicher Überreste Isotopen- und DNA-Analysen ebenso wie anthropologische Befunde beisteuern wird. Nachdem aufgrund der strengen Ausfuhrbedingungen viele Untersuchungen in Ägypten stattfinden müssen, wird in Zusammenarbeit mit dem Antikenministerium in Kairo, der Ägyptischen Akademie der Wissenschaften und der Abteilung für Molekulargenetik des Nationalen Forschungszentrums ein Labor adaptiert, das zuletzt für die Untersuchung der Mumie Tutanchamuns eingesetzt wurde.

Acht verschiedene Ansätze

Mit acht unterschiedlichen Forschungsansätzen sollen die verschiedenen offenen Fragen geklärt werden. Aufschluss über die Abstammung geben Sprachanalysen und architektonische Merkmale von Hyksos-Palästen im Vergleich mit Bauten in Nordsyrien. Auch Vergleiche von kulturellen Praktiken und religiösen Ritualen wie Opfergruben und Grabbräuchen verraten Details über die Herkunft der Hyksos.

Über ihren Aufstieg wie Untergang geben Untersuchungen der Handelsbeziehungen nach Zypern und Nubien Auskunft. Anhand der unterschiedlichen importierten Keramiken lassen sich Aussagen über die wirtschaftliche Entwicklung treffen. Möglicherweise wurden die Hyksos von den ägyptischen Herrschern in Theben von den Ressourcen in Nubien abgeschnitten. Jedenfalls dürfte gegen Ende ihrer Herrschaft der Außenhandel zusammengebrochen sein.

Die Untersuchung menschlicher Skelette gibt Einblick in mögliche Krankheiten oder Mangelernährung der Bewohner von Auaris, auch auf diese Weise lassen sich Krisenzeiten nachweisen.

Die Machtübernahme dürfte durch Migration von Seeleuten, Schiffbauern, Söldnern und Händlern schrittweise vonstattengegangen sein. Aber auch eine gewisse militärtechnische Überlegenheit, die Hyksos verfügten über Streitwagen, Pferde und bessere Waffen, dürfte den Aufstieg begünstigt haben. Den Berichten des ptolemäischen Geschichtsschreibers Manetho zufolge sollen die Hyksos Unterägypten mit einer Invasion erobert haben. Spätere kriegerische Ereignisse lassen sich jedenfalls eindeutig belegen: Vor dem Palast fand Bietak Gruben mit zahlreichen abgeschlagenen rechten Händen – Beweise für die Anzahl der getöteten Feinde.

Schließlich soll erforscht werden, ob die Hyksos spurlos von der Bildfläche verschwunden sind, oder ob die Kultur des Neuen Reiches dauerhaft von ihnen geprägt wurde. (Michael Vosatka, 24.6.2015)