Schüssel ist ein bedeutender österreichischer Politiker in dem Sinn, dass er ein Konzept hatte, dieses durchzog und außerdem sicher nicht mittelmäßig war. Eigentlich hatte er zwei Konzepte: Das eine war eine Modernisierung der österreichischen Wirtschaft durch mehr Wettbewerb und Privatisierung.

Das andere die Errichtung einer langdauernden nationalkonservativen Hegemonie.

Seine Fehlkalkulation war, dass er beides mit dem denkbar ungeeignetsten Partner, nämlich der rechtspopulistischen bis teilweise rechtsextremen, jedenfalls aber korrupten und inkompetenten FPÖ durchziehen wollte. Deshalb konnte auch beides nicht funktionieren. 2006 wurde das Projekt bekanntlich vom Wähler abgewählt. Und deshalb hat Schüssel den "Drachen" FPÖ auch nicht "gezähmt": Der Plan, mit einer handzahmen Rechtspartei (FPÖ/BZÖ) an der Seite Österreich konservativ umzubauen, ging eben nicht auf.

Im Rückblick muss man sagen, es war gut, dass Wolfgang Schüssel mit seinem strategischen Konzept einer rechten Vorherrschaft nicht durchgekommen ist. Das zeigte sich ironischerweise ausgerechnet bei der großen Fete in der Schönbrunner Orangerie zu seinem 70. Geburtstag mit 650 Gästen.

Einer dieser Gäste war nämlich der ungarische Premierminister Viktor Orbán, der autoritäre Regent unseres Nachbarlandes. Orbán ist ein autokratischer Typ vom Schlage eines Putin oder Erdogan. Im Ungarn von heute werden keine politischen Gegner eingesperrt oder ermordet. Aber sonst fehlt nichts: Abwürgen der Opposition und der kritischen Medien mit allen Tricks, Gängelung der Kultur, Bevorzugung des eigenen Klüngels, Spielen mit Tabuthemen wie der Todesstrafe und vor allem ein zerstörerischer Nationalismus.

Orbán hat letzten Sommer so wie jedes Jahr eine Grundsatzrede im "Szeklerland" gehalten. Was daran so abwegig ist? Es ist rumänisches Staatsgebiet, und der ungarische Premier lässt immer wieder durchklingen, dass er die Ungarn, die nach dem Ersten und auch nach dem Zweiten Weltkrieg dem Vaterland verlorengegangen sind, gerne irgendwie wieder "heimholen" würde. Das haben wir im Europa von heute noch gebraucht. Außerdem erklärte Orbán bei dieser Rede, die Zukunft liege in der "illiberalen Demokratie" nach chinesischem, russischem und sonstigem Vorbild.

Schüssel hat Orbán und dessen autoritäres Konzept immer geschätzt und gegen Zweifler auch in der EU verteidigt. Auch nachdem die Politik des Ungarn immer antieuropäischer und nationalistischer wurde. Das ist ein Signal, dass er sich so etwas Ähnliches auch für Österreich vorstellen kann. Vielleicht in Neuauflage von Schwarz-Blau? Mit seiner Nähe zu Orbán stellt sich Schüssel ins demokratische Zwielicht.

Reinhold Mitterlehner, der das Fest für Schüssel schmiss, hat mit derlei nichts am Hut (Schüssel hat ihn auch immer als zu liberal empfunden, deswegen musste er lange Zeit in der zweiten Reihe bleiben). Aber natürlich gibt es in der ÖVP etliche, die sich so etwas schon vorstellen können. (Hans Rauscher, 23.6.2015)