Halle an der Saale – Entgegen dem Klischee, das Krokodilen alle möglichen Eigenschaftswörter zuschreibt, aber nicht "fürsorglich", handelt es sich um ausgesprochen sorgsame Tiere – zumindest was die Weibchen anbelangt. Krokodilmütter betreiben eine intensive Brutpflege: Sie wachen über ihre Eier und später auch über den geschlüpften Nachwuchs.

Ob die Vorfahren der heutigen Krokodile ebenfalls ein derartiges Verhalten zeigten, darüber konnten Wissenschafter bislang nur mutmaßen. Eine Antwort liefert nun ein Fossil, das eigentlich schon über 80 Jahre bekannt war, erst jetzt jedoch in seinem Wert erkannt wurde.

Aufschlussreiche Entdeckung

Alexander K. Hastings, US-amerikanischer Gastwissenschafter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, beschreibt im Fachjournal "Palaios" ein weibliches Krokodil, das neben seinen fünf Eiern konserviert ist. Das Tier wurde bereits 1932 als eines von insgesamt rund 50.000 Fossilien in einem Braunkohletagebau im Geiseltal, 20 Kilometer südlich von Halle, entdeckt. Erst Hastings, der 2013 nach Deutschland gekommen war, erkannte jedoch bei seinen Untersuchungen die Bedeutung des Fossils.

Das Krokodil gehört zur ausgestorbenen Art Diplocynodon darwini, einer im Paläozän und Eozän in Europa vorkommenden Spezies, die relativ klein war und vermutlich Fische fraß. Fossilien einer nah verwanden Art wurden in der Steiermark gefunden.

Obwohl das von Hastings untersuchte Exemplar bereits Nachkommen hatte, war das ein Meter lange Tier zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht ausgewachsen, wie Hastings anhand der Wirbelsäule zeigen konnte.

Mögliche Todesursachen

Woran das Tier starb, dazu bietet Hastings in seinem Beitrag zwei Erklärungsansätze. Vulkanismus, Flut oder Dürre können als Todesursachen ausgeschlossen werden, da dafür bei den Grabungen im Geiseltal keine Belege gefunden werden konnten. Das Krokodilweibchen weist aber auch keine äußeren Verletzungen auf, seine Eier sind nicht beschädigt.

Die hohe Zahl der fossilen Funde in der Lagerstätte weist für den Wissenschafter vielmehr auf ein mögliches Massensterben hin, das die Folge eines plötzlichen Temperaturabfalls innerhalb der damals herrschenden Warmzeit gewesen sein könnte. Ein vergleichbares Ereignis trat zuletzt im Jahr 2010 in den Everglades in Florida ein. Viele dem warmen Klima angepasste Tiere, darunter auch Krokodile, starben, als zwei Wochen lang außergewöhnlich tiefe Temperaturen herrschten.

Das Krokodil könnte laut Hastings aber auch an einer Dystokie, bei der ein Ei den Legekanal blockiert und diese Blockade das weitere Eierlegen verhindert, gestorben sein. Beide mögliche Szenarien belegen laut Hastings, dass das Krokodil einen ausgeprägten Mutterinstinkt hatte und bis zum Tod bei seinem Gelege blieb.

Fürsorgeverhalten reicht weit zurück

Mit seiner Entdeckung belegt Hastings, dass das Brutverhalten der Krokodile bereits seit mindestens 45 Millionen Jahren existiert. Angesichts der über 200 Millionen Jahre zurückreichenden Entwicklungsgeschichte der Krokodilverwandtschaft ist das nicht allzu weit von der Gegenwart entfernt, dennoch ist es ein bemerkenswerter Fund. "Denn nur selten lässt sich anhand eines Fossils Wachstum und Fortpflanzung einer Art so gut erforschen", sagt Hastings. (red, 24.6. 2015)