Bild nicht mehr verfügbar.

Die Stargardt-Erkrankung ist die häufigste Form von Netzhauterkrankungen.

Foto: apa/Tim Brakemeier

Mehr als 100 Jahre nach ihrer Entdeckung wächst die Hoffnung auf eine Therapie gegen die sogenannte Stargardt-Erkrankung – die häufigste Form der erblichen Makuladegeneration. In diese Richtung weisen die Ergebnisse von Augenärzten der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universitäten Oxford und Columbia (New York). Die Resultate werden nun in der renommierten Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America" (PNAS) vorgestellt.

Bei der Stargardt-Erkrankung gehen die lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut im Inneren des Auges zu Grunde. Oft verschlechtert sich bei den Betroffenen das Sehvermögen schon in der Jugend so dramatisch, dass sie nicht mehr lesen können. Die Sehzellen im Auge enthalten das lichtempfindliche Pigment Rhodopsin, das bei Lichteinfall in das Auge zerfällt. Dabei können Abfallprodukte entstehen, die im Wesentlichen aus Vitamin-A-Verbindungen bestehen. Vitamin A, das unter anderem in tierischer Leber oder auch in Gemüse wie etwa Karotten enthalten ist, ist ein zentraler Bestandteil von Rhodopsin.

Verfrühte Ansammlung von Lipofuszin

Normalerweise werden diese Vitamin-A-Verbindungen durch ein Transportmolekül aus den Sehzellen entfernt und wiederverwendet. Dabei ist Eile geboten: Die Verbindungen haben die Tendenz, sich zu Zweiergruppen (sogenannten Bis-Retinoiden) zusammenzuschließen. In dieser Form werden sie vom Körper nicht mehr normal abgebaut, sondern bilden das toxische Abfallprodukt Lipofuszin – ein Stoff, der auch beim normalen Altern zunehmend anfällt. Wenn sich aber Lipofuszin verfrüht und in hohen Mengen in der Netzhaut ansammelt, werden die Lichtsinneszellen geschädigt und sterben schließlich ab.

Genau das passiert bei der Stargardt-Erkrankung: Bei ihr ist das Transporter-Molekül aufgrund einer genetischen Veränderung defekt. Es sammeln sich daher mehr Bis-Retinoide an. Dadurch lagert sich permanent Lipofuszin in der Netzhaut ab – ein Prozess, der oft schon in jungen Jahren zu schweren Augenschäden führt. Nach Schätzungen ist rund eine von 10.000 Personen betroffen. Eine Therapie gegen die Erbkrankheit gibt es bislang nicht.

Modifiziertes Vitamin A

Forscher und Forscherinnen untersuchten Mäuse mit einer Mutation in demselben Gen, das auch bei Patienten mit der Stargardt-Erkrankung verändert ist. Sie verabreichten einigen Tieren modifiziertes Vitamin A. Darin wurden bestimmte Wasserstoff-Atome durch Deuterium ersetzt. Deuterium ist ein Wasserstoff-Isotop: Es hat dieselben chemischen Eigenschaften wie normaler Wasserstoff, ist aber etwas schwerer.

Dieser Unterschied hat einen positiven Nebeneffekt: Das modifizierte Vitamin A und seine Verbindungen sind längst nicht so kontaktfreudig wie normalerweise und bilden kaum Bis-Retinoide. "Wir konnten zeigen, dass sich bei der behandelten Mäusegruppe weniger Lipofuszin anhäufte", erklärt Augenarzt und Stargardt-Experte Peter Charbel Issa. "Die Netzhautveränderungen der Mäuse, die sehr denen bei menschlichen Stargardt-Patienten ähneln, konnten so stark vermindert werden."

Robert MacLaren von der Universität Oxford sieht in seiner Klinik regelmäßig junge Patienten mit Stargardt-Erkrankung. "Das Ergebnis, dass ein einfacher Nahrungsmittelzusatz ihnen möglicherweise helfen kann, ist sehr vielversprechend", sagt er. Negative Effekte des schweren Vitamins konnten die Forscher bei den behandelten Tieren nicht beobachten.

Erste Tests

Das an der Columbia-Universität in New York von Ilyas Washington entwickelte deuterierte Vitamin A wird bereits klinisch bei Patienten mit Stargardt-Erkrankung getestet. Die Ergebnisse könnten auch für eine andere Patientengruppe relevant werden: Auch bei altersabhängiger Makuladegeneration (AMD) – der häufigsten Erblindungsursache in Deutschland und anderen westlichen Ländern – sammelt sich Lipofuszin in der Netzhaut an. Modifiziertes Vitamin A könnte für sie ebenfalls neue Hoffnung bedeuten. Charbel Issa mahnt jedoch zur Geduld: "Noch steht der Beweis aus, dass deuteriertes Vitamin A Menschen mit degenerativen Netzhaut-Erkrankungen helfen kann." (red, 25.6.2015)