Die rieisge elliptische Galaxie M87 mit ihrem leuchtstarken Halo.

Foto: Chris Mihos (Case Western Reserve University)/ESO

Garching – Astronomen haben einen Fall von kosmischem Kannibalismus identifiziert, wie er im Universum zum Alltag gehört, sich aber nur selten so eindeutig nachweisen lässt: Die Riesengalaxie M87 im Sternbild Jungfrau hat sich in den vergangenen Milliarden Jahren eine kleinere Galaxie komplett einverleibt, wie die Europäische Südsternwarte (ESO) in Garching bei München berichtet.

Die knapp 54 Millionen Lichtjahre entferne Galaxie Messier 87 (M87) ist eine Gigantin: Die elliptische Galaxie enthält laut ESO das Äquivalent von einer Billion Sonnenmassen. Beachtlich auch die Zahl der sie umgebenden Kugelsternhaufen: Während man rund um die Milchstraße bislang etwa 200 gefunden hat, sollen es im Fall von M 87 12.000 sein.

Auf den Spuren einer lange zurückliegenden Tat

Forscher gehen davon aus, dass Galaxien wachsen, indem sie kleinere Galaxien schlucken – auch unsere Milchstraße hat dies bereits getan. Der Nachweis eines solchen Ereignisses ist allerdings schwierig. "Genauso wie sich Wasser, das aus einem Glas in einen Teich gegossen wird, schnell mit dem Teichwasser mischt, mischen sich die Sterne der Galaxie, die verschlungen wird, mit den ihnen sehr ähnlichen Sternen der größeren Galaxie, ohne auch nur irgendeine Spur zu hinterlassen", erklärt das Max-Planck-Institut für Astronomie.

Die Forscher um Alessia Longobardi vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik gingen daher an eine "forensische Analyse". Wie sie im Fachblatt "Astronomy & Astrophysics Letters" berichten, konzentrierten sie sich bei der Beobachtung auf die abgestoßenen Gashüllen alternder Sterne, sogenannte planetarische Nebel.

Diese leuchten hell in einem bestimmten Grünton und lassen sich so gut von den Milliarden anderen Sternen unterscheiden. Die Analyse der Eigenbewegung von 300 dieser Objekte enthüllte Gruppen zusammengehöriger Sterne und damit Hinweise auf die Verschmelzung der Galaxien – ähnlich wie sich Schmutzteilchen, die mit einem Glas Wasser in einen Teich geschüttet werden, als Wolke im Teich verteilen.

Das Wachstum geht weiter

Das Team untersuchte auch sehr gründlich die Lichtverteilung in den äußeren Bereichen von Messier 87 und fand Hinweise auf zusätzliches Licht, das von den Sternen aus der Galaxie stammt, die angezogen und zerrissen wurde. Diese Beobachtungen haben auch gezeigt, dass durch die zerstörte Galaxie jüngere, blaue Sterne in Messier 87 hinzugekommen sind. Vermutlich handelte es sich also vor ihrem Untergang um eine Spiralgalaxie mit aktiver Sternentstehung.

"Wir sind Zeugen eines einzelnen, noch gar nicht so lange zurückliegenden Verschmelzungsereignisses, bei dem eine Galaxie mittlerer Größe durch das Zentrum von Messier 87 gerauscht ist", erläutert Ko-Autor Ortwin Gerhard vom Garchinger Max-Planck-Institut. Die Sterne dieser Galaxie hätten sich dabei über eine Region verteilt, die 100 Mal größer sei als die ursprüngliche Galaxie. Die Analyse illustriere zudem, dass selbst Riesengalaxien wie M 87 noch nicht ausgewachsen sind. (APA/red, 26.6. 2015)