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Die wenigsten Menschen verbinden mit Hochspannungsleitungen Romantik. Weil der Widerstand gegen neue Projekte groß ist, muss in andere Richtungen gedacht werden.

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Es surrt und glüht schon lange in und außerhalb der Hochspannungsleitungen von Österreichs nördlichem Nachbarn Deutschland. Nun ist sogar die gemeinsame Preiszone bei Strom in Gefahr – mit weitreichenden Konsequenzen für Österreichs Industrie- und Haushaltskunden. Strom würde nach Berechnungen der E-Wirtschaft um bis zu 300 Millionen Euro pro Jahr teurer.

Die drohende Verteuerung erklärt sich unter anderem mit den höheren Transaktionskosten in einem Markt, der dann deutlich kleiner und weniger liquid wäre. Die Vorteile, von denen insbesondere Österreichs Industrie seit Jahr und Tag profitiert, würden dann von einem Tag auf den anderen verpuffen.

Fehlende Leitungen

Durch den rasanten Ausbau von Windparks und Solaranlagen vor allem in Nord- und Ostdeutschland sind die Großhandelspreise für Strom an der Leipziger Börse auf Niveaus gerasselt, die anderswo in Europa nicht gesehen wurden. Grund war und ist das Überangebot an Strom, das insbesondere bei gutem Wind und schönem Wetter extrem sein kann.

Bau und Betrieb der Wind- und Solarkraftwerke kostet natürlich auch – allein die gesetzlich garantierten Einspeisetarife summierten sich im Vorjahr auf fast 22 Milliarden Euro. Das Geld wurde großteils von Haushaltskunden in Deutschland kassiert. Durch den gemeinsamen Strommarkt mit Deutschland ist auch Österreich Nutznießer der niedrigen Strompreise – noch.

Denn offenbar haben sich Vertreter der Bundesnetzagentur und des Wirtschaftsministeriums in Berlin darauf verständigt, dass es das Beste für Deutschland wäre, an der Grenze zu Österreich einen künstlichen Zaun zu errichten. Obwohl es zwischen Deutschland und Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern keine Kapazitätsengpässe bei der Durchleitung von Strom gibt, würde im Fall, dass die deutschen Pläne umgesetzt werden, eine Kapazitätsbewirtschaftung an der deutsch-österreichischen Grenze erfolgen.

Bau zweier Stromtrassen

Logischer wäre es, Deutschland selbst in zwei Preiszonen zu splitten. "Weil das politisch aber kaum durchzusetzen ist, ist man auf das Nächstbeste gekommen: Den Kapazitätsengpass vom Binnenland an die deutsche Außengrenze zu verschieben," sagte ein Insider dem STANDARD.

Die allerbeste Lösung wäre zweifellos der Bau von zwei neuen Stromtrassen in Deutschland, wie sie seit langem geplant sind. Sie sollten den Strom vom Ort der Produktion – Nord- beziehungsweise Ostseeküste sowie Ostdeutschland – an den Ort des Bedarfs zu bringen: Bayern und Baden-Württemberg. Weil aber Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) von zusätzlichen Hochspannungsleitungen durch sein Land nichts wissen will, steht die Berliner Politik an.

Zur Verdeutlichung, was das Abkoppeln Österreichs vom deutschen Strommarkt bedeuten würde, eine Überschlagsrechnung: Im Vorjahr wurden rund 64,5 Terawattstunden Strom an Endkunden in Österreich verkauft. Die Mehrkosten im Fall einer Extrapreiszone von 300 Millionen Euro wären – umgelegt auf die Kilowattstunde (kWh) – etwa 0,46 Cent. Bei einem durchschnittlichen Strompreis von 7,4 Cent wären das gut sechs Prozent mehr je kWh. (Günther Strobl, 26.6.2015)