Mein Kumpel Stefan hat einen anderen Zugang: "Punkt eins: Ich bin nie alleine unterwegs – erstens aus Sicherheitsgründen, zweitens, weil Schönes mehr wird, wenn man es teilt. Zweitens: Wo es gefährlich ist, gibt es oft kein Handynetz. Drittens: Scheinsicherheit: Viele Leute verwechseln Notfalltools mit Sicherheitsequipment. Denk an die Irren, die sich beim Skifahren wegen eines Airbags für unverwundbar halten."

Natürlich hat Stefan recht. Trotzdem halte ich den kleinen gelben Knopf an meinem Radhelm für super. Weil er mir ein gutes Gefühl gibt (ungleich "sicheres Gefühl"): Stefan ist ein wilder Mountainbiker, Spezialität: Downhill – und er ist am liebsten dort unterwegs, wo kein Telefon der Welt Empfang hat. Ich fahre derzeit fast nur Rennrad. Meistens solo. Wo Straße, da (meist) Handyempfang. "Okay", räumt Stefan ein, "wäre ich deine Familie, würde ich dir den gelben Knopf eigenhändig auf den Helm picken."

Foto: Thomas Rottenberg

Der gelbe Knopf. Den hat das US-Unternehmen ICE entwickelt. ICE steht für "In Case of Emergency": Man begann mit Notfallaufklebern und Armbändern mit Codes, über die Ersthelfer und medizinisches Personal präzise (und vom Band-Träger individuell frei zu gebende) Gesundheitsinformationen rasch abrufen können. Und Kontaktdaten von – bitte – zu informierenden Angehörigen erhalten. Nett – aber nicht revolutionär.

Mit dem gelben Knopf ging das Unternehmen aber den entscheidenden Schritt weiter. Der kleine Knopf ist ein Crashsensor: Ab einer bestimmten Aufprallwucht (es genügt, ihn aus etwa zwei Metern Höhe fallen zu lassen), löst er Alarm aus. Und zwar in Etappen: Das Smartphone schnarrt los …

Foto: Thomas Rottenberg

… und wenn der ICE nicht binnen einer (individuell einstellbaren) Zeit deaktiviert wird, geht über die soeben noch schnarrende App am Smartphone eine Notfallmeldung raus. An bis zu zehn Kontaktpersonen. Mit den genauen GPS-Unfalldaten.

Foto: Thomas Rottenberg

Möglich gemacht wird das durch eine im Grunde einfache Überlegung: Alarmsysteme mit ähnlicher Funktion gibt es zwar schon – aber Energieversorgung und Kommunikationstool der Sensoren machten die meisten zu groß, schwer und klobig, um sie dort zu befestigen, wo sie am meisten Sinn machen: am Kopf. Also am Helm – egal ob dessen Präfix "Rad-", "Ski-", "Motorrad-", oder "Kletter-" lautet.

Im ICE-Sensor aber kommt man mit der Minimalversion aus – weil sich der Knopf als Trägermedium eben das Handy aussucht und die Bluetooth-Verbindung nur wenige Meter weiter reichen muss. (Über das, was größere Entfernungen zwischen Kopf und Handy nach einem Unfall meist bedeuten, will ich lieber nicht nachdenken.)

In den USA kam der gelbe Knopf bereits vor fast zwei Jahren auf den Markt. US-Medien (und Rennveranstalter) überschlugen sich vor Begeisterung. In Europa ist der Sensor noch nicht wirklich angekommen: Ein paar Erwähnungen in Rad-Spezialmagazinen (alle positiv). Doch auf der Straße (oder im Gelände) habe ich den vier Zentimeter kleinen, aber doch auffälligen Knopf noch nie gesehen. Und allem Anschein nach auch sonst niemand: "Blinklicht oder Sirene?", lautet die gängige Eröffnungsfloskel.

Foto: Thomas Rottenberg

Natürlich kommt man da immer auch rasch auf den großen Haken des Sensors zu sprechen: Werfe ich bei meinem alten iPhone 5s Bluetooth an, ist der Akku, auch wenn ich alle anderen Anwendungen, Helligkeit & Co runterfahre, nach etwa viereinhalb Stunden leer. Apple halt.

Außerdem ist da dann noch das, was Stefan über Netzabdeckung und falsches Sicherheitsgefühl gesagt hat. Stimmt. Und trotzdem: Zu wissen, dass irgendjemand vielleicht doch die Rettung anruft, wenn ich es selbst nicht kann, tut irgendwie gut – auch wenn ich es sicher nicht drauf anlegen werde.

Foto: Hersteller

Der Crashsensor ist über den Hersteller um 129 € erhältlich. In anderen Onlineshops ist er kaum, in den "echten" Shops meines Vertrauens gar nicht zu finden. (Thomas Rottenberg, 28.6.2015)