Es ist schwer ersichtlich, wie die Regierung Tsipras in der nächsten Woche bzw.in den nächsten Wochen weitermachen will und kann. Tsipras hat selbst den Sprengsatz an seine Regierung gelegt. Der Reihe nach: Mit den Stimmen der linksradikalen Syriza und des rechtsnationalen Koalitionspartners Anel sowie der neonazistischen "Goldenen Morgenröte" (!) wurde in der Nacht auf Samstag eine Volksabstimmung für 5.Juli beschlossen.

Wie immer seit der Bildung dieser Weit-links-/Weit-rechts-Regierung weiß man nicht genau, ob das einer unfassbaren Unwissenheit über das Handwerk des Regierens an sich oder einer durch ideologische Verblendung entstandenen Hasardmentalität entspringt. Wahrscheinlich beides.

De facto sagt Tsipras: Ich will ein Referendum abhalten, nicht über einen präzisen Vorschlag , sondern nur, damit ich mit den Eurogeldgebern weiter hasardieren kann. Gleichzeitig fordere ich euch Griechen auf, den Vorschlägen der Eurogeldgeber auf alle Fälle ein "stolzes Nein" entgegenzuschmettern. Aber, liebe Eurogeldgeber, die Woche bis dahin finanziert ihr mich noch durch.

Diese monumentale Anmaßung haben die Eurogeldgeber völlig richtig damit beantwortet, dass sie das laufende Hilfsprogramm für Griechenland stoppten. Denn die Regierung Tsipras hat "den Verhandlungstisch verlassen", wie der Chef der Eurogruppe Dijsselbloem richtig sagte.

Hier muss man sich die reale Situation vor Augen führen. Die EU und die EZB sind die einzigen verbliebenen Finanziers Griechenlands. Niemand sonst, auch Putin nicht, gibt diesem scheiternden Staat noch Geld. Die EU in Gestalt der Rettungsschirme fällt jetzt aus. Die EZB finanzierte bisher im Ausmaß von 87 Milliarden die griechischen Banken, von denen die Kunden massenhaft Geld abziehen. Dass aus den Bankomaten noch Geld kommt, ist nur auf die EZB zurückzuführen, die ihr Mandat hier kräftig strapaziert. Wenn die EZB diese Notkredite einstellt, sind alle griechischen Banken zahlungsunfähig.

Die griechische Regierung muss dann Kapitalverkehrskontrollen einführen (Verbot von Auslandsüberweisungen, bestenfalls 100 Euro/Tag Abhebung), oder die Banken schließen überhaupt. Dies in der Hochsaison des Tourismus, Griechenlands einziger verlässlicher Einnahmequelle.

Die Griechen können dann eine Zeitlang vom bisher schon abgehobenen Geld unter der Matratze leben, aber für den Staat ist der Bankrott unausweichlich. Das heißt, keine Auszahlung von Pensionen mehr, keine Gehälter für die Staatsangestellten. Oder in der Form von sofort abgewerteten Schuldscheinen (bezeichnendes Detail: die Regierung Tsipras hat schon längst die Reserven der Sozialversicherungen und Kommunen beschlagnahmt oder dies versucht).

Hier ein Einschub: Die Rettungspolitik der Eurogeldgeber war/ist in vielem verfehlt. Sie hatte wirklich schlimme Auswirkungen auf Teile der griechischen Bevölkerung. Aber die Regierung Tsipras hat genau nichts unternommen, um aus Griechenland einen ansatzweise funktionierenden Staat zu machen. Ein echtes Sanierungsprogramm für Griechenland bedürfte institutioneller Reformen, z. B. einer funktionierenden Steuereinhebung. Aber Finanzminister Varoufakis, eine echt problematische Figur, lebt lieber seinen Hang zu pseudobrillanten Weltverschwörungstheorien aus. Ein STANDARD-Poster verlinkte dankenswerterweise auf eine Stelle in Varoufakis' Buch "Der globale Minotaurus", wonach die europäische Einigung und die japanische Industrialisierung ein Komplott der USA seien.

Wenn die Folgen dieses Kollapses jeder normalen wirtschaftlichen und staatlichen Tätigkeit für die Griechen spürbar werden, was wird dann mit der Regierung Tsipras geschehen ? Wird es ihr gelingen, alles auf die "neoliberale Hegemonie in der EU" zu schieben, wie Syriza und deren Anbeter in Europa es so gerne tun? Oder erkennen die Griechen, dass diese Regierung objektiv nicht regieren kann, und es kommt zu einem Volksaufstand, der die Regierung stürzt?

Griechenlands Problem ist, dass so gut wie alle Parteien seit Jahrzehnten diese Misere herbeigeführt haben. Da es aber irgendeine Regierung geben muss und die Regierung Tsipras erkennbar auf den Kollaps zusteuert, wäre die letzte Möglichkeit wahrscheinlich der Rücktritt von Tsipras und eine Regierung der nationalen Einheit, bestehend aus den europafreundlichen Teilen der Syriza, der konservativen Nea Dimokratia, der sozialdemokratischen Pasok und den Liberalen von To Potami.

Die Frage ist, was Tsipras tut, wenn die Griechen im Referendum seinen Aufruf zum "Nein" nicht befolgen. Und noch eine andere Frage ist, ob nicht die Dynamik der Ereignisse in der nächsten Woche so stark wird, dass es der Anfang vom Ende der Regierung Tsipras ist. (Hans Rauscher, 28.6.2015)