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Olivenauslese in Griechenland. Im Kleinen laufen die Exporte nach Österreich nach wie vor wie geschmiert. Wie es weitergeht, weiß jedoch keiner.

EPA / Orestis Panagiotou

Wien – Manfred Bläuel erinnert sich noch gut an seine ersten Jahre in Griechenland. Als Biopionier kam der Österreicher 1978 in den Peloponnes, um mit den Landwirten eine neue Olivenölmarke aufzubauen. "Im ganzen Dorf gab es nur ein Telefon, eine Stunde dauerte es, bis die Verbindung hergestellt wurde. Kühlschränke waren unbezahlbar und die Straßen unasphaltiert. Für Österreicher war es romantisch, zum Leben jedoch hart." Mittlerweile habe Griechenland längst Anschluss an die Welt gefunden. Nun aber drohe dieser, befürchtet Bläuel, wieder verloren zu gehen. Denn das Sparpaket zeige schon jetzt dramatische Folgen, "viele Menschen sind verarmt."

Bläuel erzeugt in Griechenland mit rund 300 Bauernfamilien und 40 Mitarbeitern Olivenöl unter der Biomarke Mani. Fünf Dörfer arbeiten mit ihm seit fast vier Jahrzehnten zusammen. Sorge, dass die aktuellen Turbulenzen, sein Projekt gefährden, hat er keine. Denn so sehr das Land aus dem Gefüge sei, "im Kleinen funktioniert es noch. Auf beiden Seiten ist viel Vertrauen. Und wir zahlen gutes Geld."

Generell sieht er die griechische Zukunft jedoch düster. Ob die Bevölkerung nun für das Reformpaket stimme oder dagegen: "Sie verliert in jedem Fall." Griechenland riskiere, wieder zum Billigsdorfer-Land zu werden – mit einer Wirtschaft, die am Boden liege und von Importen abhänge, die für die Bürger unleistbar seien. Lediglich der Tourismus werde wohl aufgrund der geringen Preise aufblühen.

An Kummer gewöhnt

Griechenland lieferte 2014 Waren im Wert von gut 190 Millionen Euro nach Österreich, neben Olivenöl vor allem Früchte, Gemüse, Milchprodukte und Textilien. Die Exporte der Österreicher gen Süden lagen im Gegenzug bei gut 412 Millionen Euro. Viele Maschinen, viel Kunststoff, Papier und Pharmazeutik war darunter. Aber auch Käse, der sich selbst über die Distanz günstiger liefern lasse, als ihn die Griechen im eigenen Land herstellen könnten. Was viel über die griechische Industrie aussage, ergänzt Gerd Dückelmann-Dublany, Handelsdelegierter in Athen.

Er zählt in Griechenland in Summe noch 40 Niederlassungen und drei Produktionen österreichischer Unternehmer. Jene, die nach wie vor die Stellung hielten, seien robust, gut auf Krisen vorbereitet und an Kummer gewöhnt. Um auf Nummer sicher zu gehen und Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, hätten viele Konzerne ihr Geld schon seit langem auf Auslandskonten geparkt.

Dückelmann weiß dennoch von Österreichern, die ihre Lieferung diese Woche an griechische Supermärkte stoppten. Nicht, weil sie nicht bezahlt würden. Sie bekämen ihr Geld aber im Zuge der neuen Kapitalverkehrskontrollen nicht mehr außer Landes.

Ware gegen Bares

"Wir liefern seit Montag nur noch gegen Vorauskassa", sagt Josef Braunshofer, Chef der Berglandmilch. Sein Konzern werde nun teilweise über Auslandstöchter griechischen Kunden bezahlt. Um welche Exportmengen es geht, will er nicht präzisieren. Südländer erzeugten jedenfalls aufgrund weniger Grünfutters weniger Milch, was sie für seine Branche interessant mache.

Der Papierriese Mondi fertigt in Griechenland Industriesäcke. Auf den Gesamtkonzern mit hundert Fabriken habe die Krise des Landes keinen Einfluss, wird intern versichert. Seilbahnbauer Doppelmayr hat in den griechischen Bergen jüngst drei Anlagen installiert. Wie es mit laufenden Projekten weitergeht, etwa auf dem Parnass, lässt sich, sagt eine Sprecherin, erst in einigen Wochen abschätzen. Seine Manager sind derzeit bei Kunden an Ort und Stelle.

Der Prüfkonzern TÜV ist seit 20 Jahren in Griechenland vertreten, mittlerweile mit 90 Mitarbeitern. Die vergangenen sieben Jahre seien schwierig gewesen, jetzt sei der Höhepunkt erreicht und niemand wisse, was in den nächsten Tagen passiere, sagt Geschäftsführer Stefan Wallner. "Es gibt diese Woche kaum Aktivitäten, alle warten ab."

Eine Gefahr für die Geschäftsgrundlage des TÜV, Zertifizierungen von Nahrungsmitteln und im Tourismus, sieht er in Griechenland dennoch keine. "Wir haben dort fähige Leute." Diese seien für den Lebensmittelbereich bei TÜV international verantwortlich.

Geld, Zeit, Pragmatismus

Bisher habe es keine Probleme gegeben, nun aber wisse niemand, wie seine Lieferanten und Kunden reagieren, ob und wann ihnen das Geld ausgehe, erzählt ein österreichischer Industrieller. "Die Situation ist heikel." Er sei mit seinem Standort in Griechenland zufrieden, auch wenn die Mentalität ei- ne andere und die Macht der Gewerkschaft groß sei. "Aber die hohen Löhne und die geringe volkswirtschaftliche Leistung – das passt halt alles nicht zusammen." Viele Griechen lebten zu lange auf großem Fuß, meint er. Davon sieht Ölspezialist Bläuel, dessen Familie zum Teil in Griechenland lebt, nichts. "Wer ins Spital geht, muss Bares hinlegen. Die Kindersterblichkeit etwa ist stark gestiegen."

Reformen sind nötig, keine Frage, betont Dückelmann-Dublany, von den Beamten über die Judikatur bis hin zum Pensionssystem, das nicht mehr tragfähig sei. Ansätze dafür seien ja auch da gewesen. Für ein Mehr brauche es aber viel Geld, Zeit und Pragmatismus.

Einen Ausstieg aus der Eurozone würde aus seiner Sicht keine griechische Regierung überleben. Schon allein aufgrund der massiven Importabhängigkeit des Landes. "Die Konsequenz wären Engpässe. Und wer soll sich die Importe noch leisten können?" Prognose für den Ausgang des Referendums wagt er keine. "Ein Ja bedeutet weitere Sparmaßnahmen, die nach fünf Jahren keiner mehr will. Ein Nein zieht die massive Verarmung der Bevölkerung nach sich." (Verena Kainrath, 1.7.2015)