Camouflage und Zärtlichkeit: Adèle Haenel und Kévin Azaïs in "Liebe auf den ersten Schlag".

Foto: Thimfilm

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Wien – Beim ersten Zusammentreffen schlagen sie sich. Das liegt aber nur daran, weil sie von der Armee, die gerade am Strand um ein paar Rekruten wirbt, dazu aufgefordert werden. Arnaud (Kévin Azaïs) zögert, denn Madeleine (Adèle Haenel) ist ein Mädchen. Als sie ihn dann aber geschickt zu Fall bringt und in den Schwitzkasten nimmt, ist er es, der sich nicht so richtig männlich benimmt. Er beißt sie ins Armgelenk. Das Mädchen, das ein echter Bursche ist, verrät das den anderen aber nicht.

Man sieht schon, in Thomas Cailleys Debütfilm Les Combattants (Liebe auf den ersten Schlag), einer der Cannes-Entdeckungen im vergangenen Jahr, sind die Geschlechterzuschreibungen nicht stereotyp, sondern wendig und flexibel. Der besonnene Arnaud findet Gefallen an der exzentrischen jungen Frau, die sich in den Kopf gesetzt hat, ihren Körper auf Vordermann zu bringen. Mit Ziegeln um den Oberkörper taucht sie durch den Swimmingpool der Urlaubsvilla ihrer Eltern, um für die Aufnahme zum Militär zu trainieren. Doch ihre Motive sind sehr persönlich: Madeleine kämpft ganz für sich allein.

"Es gibt eine Gewalt, die man nicht sehen kann", sagt Haenel, die für ihre Rolle mit dem wichtigsten französischen Filmpreis, dem César, ausgezeichnet wurde. "Und diese Gewalt besagt, dass man an seinem Platz bleiben, nicht ausscheren soll." Madeleine sei nicht in der Lage, ihren Schritt aus der bürgerlichen Langeweile in ein selbstbestimmtes Leben besonders raffiniert, subtil anzugehen – "Sie macht es simpel, direkt. Mit ihrem Körper."

Pointierte Komik

Frauenrollen wie diese seien heutzutage selten, das ist Haenel besonders wichtig. Und Cailley macht seine Sache gut, das Verhältnis zwischen den beiden orientierungslosen Menschen an der Kippe zum Erwachsensein schön in der Schwebe zu halten. Das Aufeinandertreffen von Arnauds scheuer Natur und Madeleines etwas brüsker Idee der Verweigerung generiert eine Komik, die deshalb pointiert erscheint, weil sie in der lakonischen Erzählhaltung des Films widerhallt.

Ihre etwas diffuse Suche nach alternativen Lebensmodellen führt die beiden schließlich in ein militärisches Trainingscamp, in dem Madeleine durch ihre Art des Nachfragens den Argwohn des Ausbildners weckt. Es ist nicht die beste Wahl für eine Selbstfindung, aber ein origineller Topos für den Film, weil die etwas albernen körperlichen Exerzitien die Unbehaustheit der beiden Protagonisten noch unterstreichen. Doch in Les Combattants werden solche Befindlichkeiten nur indirekt in Szene gesetzt, und sie bleiben vor allem veränderbar.

Cailley beweist in seinem ersten Film zudem viel Feingefühl bei der Verwendung von Ausstattung und Schauplätzen, die er wie die Geschlechterrollen gern mehrdeutiger auslegt – dunkle Ahnungen werden etwa auch durch Wetterstimmungen ins Bild gerückt. Und wenn Madeleine und Arnaud sich für die Camouflage gegenseitig die Gesichter schminken, ist das auch ein Akt der Zärtlichkeit. Ihr gemeinsamer Schritt ins Abenteuertum, der sie von letzten Sicherheiten befreien soll, ist in Wahrheit auch einer aufeinander zu. (Dominik Kamalzadeh, 2.7.2015)