"Army says Alarm real" titelt die "Los Angeles Times" am 26. April 1942: Das Bild vom US-Airforce-Cockpit ist jedoch neueren Datums. Manipulativ Hand angelegt hat US-Künstlerin Laura Owens.

Foto: Jorit Aust

2014 wechselte beim Auktionshaus Phillips in London diese Arbeit von Laura Owens aus dem Jahr 1997 mit den recht stolzen Maßen von 3 x 2,4 Metern um umgerechnet 93.500 Euro den Besitzer.

Foto: owenslaura.com

Wien – Oft spielt einem der Zufall wunderbare Dinge zu. So wie der US-Künstlerin Laura Owens. Als sie mit der Renovierung ihres Hauses in Echo Park Los Angeles begann, entdeckte sie unter den Schindeln eine Reihe von Stereotypiedruckplatten der Los Angeles Times von 1942. Die Platten – Vorlagen für den Guss der Druckzylinder – waren dort nicht etwa versteckt, sie waren, da aus Karton gefertigt, einfach günstiges Dämmmaterial. Irgendwie ein bittersüßes Bild für die gegenwärtig sehr schwarzgemalte Zukunft von Print-Zeitungen, deren Wert bald wohl eher – gepresst in handliche Briketts – in Kilowattstunden pro Raummeter bemessen werden soll.

Vermutlich spielt diese Medienproblematik für Owens (geb. 1970) keine Rolle. Sich vom Zufall inspirieren zu lassen, ist aber sehr wohl erklärte Methode der Malerin, die in ihrem Atelier gemeinsam mit acht Assistenten an den Grenzen der Malerei herumschiebt.

Owens Stil ist es, keinen fixen Stil zu haben. Vielmehr eignet sie sich Stile – so wie auch Techniken – an. Ihre Leinwände sind seit den 1990er-Jahren ein hierarchieloses Treffen von Hochkultur und Alltagsdesign, oft greift sie auch tief in die farbliche und motivische Kitschkiste. Digitale Bildbearbeitungstechniken sind quasi die Geburtshelfer, um Farbfeldmalereien oder Gesten von abstraktem Expressionismus und Action Painting (sie verglich sie einmal mit dem Ejakulieren) zusammen mit Tapetenmustern und Zeitungsanzeigen, chinesischen Landschaftsmalereien, Kindermalbüchern und naiver Blumenmalerei in eine Leinwandwelt zu hieven.

Ihre eklektizistischen Malereidiskurse machen sich auch am Kunstmarkt bezahlt: Bei Auktionen erzielen Owens Werke Preise bis zu 50.000 Euro, 2014 war einem Bieter in London ein Bild aus dem Jahr 1997 mit den recht stolzen Maßen von 3 x 2,4 Metern umgerechnet 93.500 Euro wert.

Ausstellungseinblick Secession 2015
Foto: Jorit Aust, Secession

"Jeder berührt die Leinwand wenigstens ein bisschen", antwortete Laura Hoptman, Kuratorin der MoMA-Ausstellung The Forever Now: Contempory Painting in a Atemporal World 2014 auf die Frage, ob Malerei heute überhaupt noch Farbe benötigen würde. Das "ein bisschen" trifft präzise auf Owens elf neue, für die Secession produzierten Großformate zu: Dick-pastose (auch "impasto" genannt) Farbkleckse sind hier die einzigen mit Pinsel oder Spachtel aufgetragenen malerischen Gesten.

Die gefundenen Zeitungsdruckplatten vom April 1942, wenige Monate nach dem Angriff der Japaner auf die in Pearl Harbour vor Anker liegende US-Flotte, wurden eingescannt und per Siebdruck auf Leinwand übertragen, vorher aber am Computer manipuliert: Owens schummelte etwa homoerotische Bilder von Tom of Finland oder Fotos ganz anderer Zeit oder eines ganz anderen Kriegs, jenem der Eislaufprinzessinnen Tonya Harding und Nancy Kerrigan, hinein. Die Zeitung, ohnehin eine Collage aus Weltpolitik und Alltäglichem, wird also in den Arbeiten Owens, die verschiedenste Zeiten und Realitätsebenen collagiert, noch mehr zu dem, was Medienphilosoph Marshall McLuhan als kubistisches Kunstwerk bezeichnete.

Im Grunde ein subtiler Ansatz, um einmal mehr über den Wahrheitsgehalt von Medienprodukten nachzudenken. Die formale Verspieltheit dominiert aber das inhaltlich Spannende. (Anne Katrin Feßler, 1.7.2015)