Wenn das Haus erst einmal auf seinem fahrbaren Untersatz steht, kann es weit transportiert werden – vorausgesetzt, Hindernisse wie Strommasten, Brücken und Postkästen werden bedacht.

Foto: Expert House Movers

Gabriel Matyiko versetzt seit Monaten Häuser im ganzen Viertel.

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Häuser werden zusammengeschoben, um Platz für Neues zu machen. So kann das ausschauen, wenn es fertig ist.

Foto: Hollmann

Für dieses Haus muss erst ein Standort gefunden werden.

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Auch Leuchttürme können verschoben werden.

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Besuchern gibt Gabriel Matyiko nur ungern die Hand: Seine Hände sind meist ölverschmiert. Dabei bekommt er auf seinen Baustellen oft Besuch. Denn gemeinsam mit den Expert House Movers, einem Familienunternehmen, dem er in dritter Generation als Vizepräsident vorsteht, vollbringt er Spektakuläres: Er versetzt Gebäude. Meist sind das Einfamilienhäuser mit oder ohne Einrichtung (und Keller), manchmal auch Leuchttürme oder für amerikanische Verhältnisse uralte mehrgeschoßige Ziegelbauten.

Beim Besuch des Standard ist der große, braungebrannte Mann mit dem akkurat getrimmten Bart im Wolverine-Stil gerade mit solchen "historischen" Ziegelbauten beschäftigt. An der New York Avenue Nr. 643 in Washington, D.C., eine Meile vom Weißen Haus entfernt, sind die Häuser den Entwicklern eines Büro- und Wohnkomplexes im Wege. Da sie nicht abgerissen werden dürfen, werden sie dicht nebeneinander an den Rand des jeweiligen Grundstücks versetzt.

Gerade erst hat Matyiko, dessen für Amerikaner schwer auszusprechender Name auf ungarische Wurzeln verweist, das angeblich schwerste Gebäude der Stadtgeschichte, einen 1000 Tonnen schweren Ziegelklotz, versetzt. Das älteste Haus am Platz ist als Nächstes dran. Der unscheinbare rote Bau stammt aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs.

Platz unter den Häusern

Im ganzen Viertel war Matyiko schon tätig – auf dem Grundstück gegenüber sogar für denselben Developer: Dort, wo sich heute ein schmucker Büroglaspalast befindet, standen früher fünf historische Bauten. Vier von ihnen stehen jetzt geduckt am Rand des Grundstücks. Für einen der Ziegelbauten war kein Platz mehr: Er steht seit 2010 auf Rädern. Mittlerweile wurde das Haus über die Straße geschoben und auf dem neuen Grundstück geparkt.

Doch nicht nur die einfachere Planbarkeit verleitet dazu, Häuser zu versetzen und im Zuge dessen auf ein massiveres Fundament zu stellen: Auch mit dem Platz unter den Häusern lässt sich viel Geld verdienen. Eine dreistöckige Parkgarage ist unter dem gegenüberliegenden Grundstück entstanden. Ein einzelner Parkplatz soll in dieser Lage innerhalb von zehn Jahren 250.000 Dollar bringen.

30 bis 40 Arbeitstage seien in das Verschieben des 1000-Tonnen-Objekts geflossen, berichtet Matyiko – viel Zeit davon in die Planung. Als erster Schritt wird das Fundament des Hauses freigelegt. Dann werden die tragenden Elemente nach und nach abgetragen. Das sei eine Gratwanderung: Wird zu viel entfernt, stürzt das Haus ein. In die entstehenden Löcher werden Stahlträger gesteckt. Um das Haus von innen zu stabilisieren, werden im Inneren Stützwände errichtet.

Moment der Wahrheit

Dann wird es ernst: Die letzten verbliebenen Verbindungen zum Fundament werden gekappt, das Haus mithilfe eines eigens entwickelten Systems, bestehend aus zentral gesteuerten hydraulischen Wagenhebern, angehoben, jede Bewegung vom Chef überwacht. "Das ist der riskanteste Moment."

Schließlich wird das Haus auf einen fahrbaren Untersatz verladen. "Das Gebäude sollte eigentlich gar nicht merken, dass es bewegt wird", sagt Matyiko. Theoretisch kann ein Haus so ziemlich weit transportiert werden – wenn dabei auf Hindernisse wie Stromleitungen und Brücken geachtet wird.

Die Häuser hier werden aber nur um einige Meter und mit einer Geschwindigkeit von etwa 16 Stundenkilometern bewegt. "Am Ende des Tages muss man in dem Tempo arbeiten, in dem man sich wohlfühlt", sagt Matyiko. Im schlimmsten Fall kann das Gebäude einstürzen oder Risse davontragen.

Neues Erdgeschoß

Die Kosten hängen von Faktoren wie Bauweise, Alter und Größe ab. Ein Luxusanwesen an der Küste, das mitsamt Keller ein Stück landeinwärts versetzt wurde, kostete zwei Millionen Dollar. Nicht alle Aufträge sind so spektakulär – und so teuer: Viele Kunden lassen ihr Einfamilienhaus anheben, zum Beispiel weil sie in einem Überschwemmungsgebiet wohnen, ein neues Fundament oder, anstatt ihr Haus nach oben zu erweitern, ein neues Erdgeschoß bauen wollen.

Matyikos Vater versetzt gerade einen Leuchtturm, der Sohn hat schon weitere Aufträge in der Hauptstadt an Land gezogen. Das Versetzen von Häusern sei eine zutiefst amerikanische Tradition. Schon im 19. Jahrhundert seien Häuser professionell versetzt worden. Die amerikanische Mentalität würde die Menschen nämlich dazu motivieren, ihre Ärmel hochzukrempeln: "Sonst wäre in diesem Land wohl nicht viel passiert." (Franziska Zoidl, 4.7.2015)