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Rettungskräfte brachten nach den Anschlägen vom Mittwoch Verletzte in ein Krankenhaus auf dem Sinai.

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Ägypten sei im Krieg, hatte Premier Ibrahim Mahlab am Mittwochabend erklärt. Kairo macht in diesem Krieg gegen den Terror längst keinen Unterschied mehr zwischen den mit dem IS verbandelten Jihadisten auf dem Sinai und den Muslimbrüdern. Beide sind für die ägyptische Führung pauschal Terroristen. Mahlabs Kabinett verabschiedete am Mittwoch auf Geheiß von Präsident Abdelfattah al-Sisi ein neues Antiterrorgesetz, das diese Haltung deutlich widerspiegelt.

Sisi hatte bereits nach der Ermordung von Generalstaatsanwalt Hisham Barakat zu Wochenbeginn beklagt, der Justiz seien allzu häufig die Hände gebunden. Das neue Antiterrorgesetz enthält nun eine ausufernde Definition von Terror: Alles, was die öffentliche Ordnung stört oder irgendjemandem schadet, ist Terrorismus. Damit erhalten die Sicherheitskräfte die Befugnis, gegen jede Art von Dissens vorzugehen. Zudem wurden die Strafen für die einzelnen Delikte noch einmal drastisch erhöht. So soll etwa auch bereits die Finanzierung einer Terrororganisation eine lebenslange Strafe oder gar ein Todesurteil nach sich ziehen.

Neue Regeln für Justiz

Wie der Minister für Übergangsjustiz Ibrahim al-Heneidy bestätigte, wurde auch die Strafprozessordnung geändert, mit dem Ziel, Gerichtsverfahren zu beschleunigen. Die Berufungsmöglichkeiten wurden eingeschränkt. Gab es bisher zwei Möglichkeiten für einen Rekurs, so soll man künftig nur noch einmal in Berufung gehen können. Die genauen Details dieser Änderungen sind allerdings noch nicht publik.

Juristen gehen davon aus, dass die ersten der vielen Hundert Todesurteile gegen Anhänger der Muslimbrüder – oft im Rahmen von Massenprozessen gesprochen – schon bald exekutiert werden könnten. Dabei hatte Sisi selbst erst vor wenigen Wochen angeblich bevorstehende Exekutionen noch weit von sich gewiesen, als er unter Hinweis auf die lange Dauer der Verfahren internationale Kritik an unfairen Prozessen abschmetterte.

Das Attentat auf Generalstaatsanwalt Hisham Barakat und die vielen toten Soldaten bei den Anschlägen auf Armeestützpunkte vom Mittwoch haben in weiten Teilen der Bevölkerung Wut und Hass neu angestachelt. Von Sisi wird eine dezidierte Antwort erwartet, die Exekution der Todesurteile gegen die entmachteten Muslimbrüder könnte ein Teil davon sein.

Die Muslimbrüder drohten nach den Gesetzesverschärfungen mit einer "Revolte" und sprachen von "Staatsterrorismus", nachdem am Mittwoch 13 ihrer Mitglieder in Kairo von der Polizei erschossen worden waren. Alle Zeichen stehen auf Eskalation. Die wenigen besonnenen Stimmen, die vor diesem Teufelskreis der Gewalt warnen und eine politische Lösung sowohl für den Sinai als auch für den politischen Islam fordern, werden in dieser aufgeheizten Atmosphäre nicht gehört.

Die Kämpfe auf dem Sinai, die schlimmsten die es je gegeben hat, gingen auch am Donnerstag weiter, nachdem bei den Anschlägen am Mittwoch nach Armeeangaben 17 Soldaten und über 100 Jihadisten ums Leben gekommen waren. Erst am Abend war es der Armee gelungen, die Kontrolle über die Gegend von Sheikh-Zuweid wieder zu übernehmen, nachdem die mit dem Islamischen Staat liierten Jihadisten ihrem Traum einer eigenen, islamischen "Provinz Sinai" für einige Stunden nähergekommen waren. Am Donnerstag setzte die Armee erneut die Luftwaffe ein und tötete mindestens 23 Mitglieder der Terrorgruppe Ansar Beit al-Maqdis. Die groß angelegte Militäroperation soll erst beendet werden, wenn alle mutmaßlichen Kämpfer ausgeschaltet sind. (Astrid Frefel aus Kairo, 3.7.2015)