"Wasndasfüreinteil?" und "Ah, das ist also der POC-MIPS. Wie isn der so?" Als an dieser Stelle vergangene Woche der Icedot-Crashsensor besprochen wurde, trudelten in meiner Mailbox gut 20 Anfragen ein, in denen es nicht um den gelben Knopf, sondern um den Helm darunter ging. Und als ich vor Beginn des Lauf-Bahntrainings auf der Marswiese meinen neuen POC Octal AVIP an den Lenker hängte, blieb er nicht lange dort: "Darf ich mal?"

"Ah, schön leicht. Sitzt gut. Aber der ist sauteuer, oder? Eh klar: Du hast den zum Testen gratis bekommen. Sauerei!" Nö, hab ich nicht: Ist gekauft. ganz regulär. "Alter, der kostet doch eine Million!" Nicht ganz – aber: Billig ist das Teil nicht. Nur: Wenn ich für meine Räder ohne mit der Wimper zu zucken Unsummen hinlege, sollte mein Kopf … und so weiter.

Foto: THomas Rottenberg

Der Reihe nach: Ich fahre nicht ohne Helm. Nicht Ski, nicht Moped – und nicht Rad. Punkt. Darüber diskutiere ich nicht. Doppelpunkt.

Nur ist mein Radhelm – ein Uvex, den ich heiß liebte – mittlerweile sechs Jahre alt. Sturzfrei (mehr Glück als Verstand). Ein paar tausend Kilometer. Oft bei sengender Sonne. Und nie liebevoll behandelt: Das Wort "Materialermüdung" kenne ich.

Als meine Freundin Cornelia im Spätwinter mit dem POC Octal AVIP auftauchte, rückten die Radhelme des 2005 in Schweden gegründeten Unternehmens auf mein Radar. (Beim Skifahren habe ich POC-Helme schätzen gelernt, blieb dann aber doch "Sweet" treu: Meinen "Trooper" gebe ich nicht so bald her.)

Foto: privat

POC-Radhelme können Glaubenskriege auslösen. Weil man sie entweder mag – oder potthässlich findet. In Sachen Sicherheit und Zertifizierungen spielen sie aber in der gleichen Liga wie alle "klassisch" designten Helme – egal welcher namhaften Marke.

Dass die POCs mit einer schlaueren Brillengarage aufwarten? Geschenkt: Helme kauft man nach Sicherheitsmerkmalen. Und Passform. Dann kommt die Anwendung: Mountainbike-Helme müssen auch vor Ästen und Steinen schützen, Straßenhelme leicht und luftig sein – und dürfen den Blick nicht einschränken: MTB-Helme mit Sonnenblende sind deshalb ein No-Go. (Daraus kann man ebenfalls Religion machen – nachzulesen im großartigen Road-Bike-Codex der "Velominati".

Das MIPS

Nebenbei: Ein schwedischer Bike-Journalist erklärte mir das No-Visor-Gesetz einmal damit, dass der Sonnenschirm qua Luftwiderstand "bei höheren Geschwindigkeiten den Kopf nach hinten reißt – das ist lebengefährlich!" Wie schnell man dafür werden müsste, wusste er nicht: Am Moped spüre ich Wind an Helm-Features unter 100 km/h selten so, dass meine Nackenmuskulatur da spürbar mehr Arbeit bekäme …

Egal: Der Helm gefiel. Ob ich ihn mir leisten wollen würde, wollte ich nach einem Test entscheiden. Vor allem, weil es den AVIP seit 2015 auch in einer MIPS-Variante gibt. MIPS steht für "Multi-directional Impact Protection System". Stark vereinfacht gesagt ist das ein Schale-in-der-Schale-System, das im Falle eines Sturzes mit schrägem Aufprall die Auswirkungen der Rotationskräfte reduzieren oder abfangen soll, indem sich zwei Schalen gegeneinander verschieben. Das System und seine Wirkung sind mittlerweile x-fach getestet. MIPS wird heute von etlichen Herstellern in High-End-Helme implementiert.

Foto: Hersteller

Doch als ich mich Mitte Mai bei der PR-Agentur von POC wegen eines Testhelmes meldete, bedauerte man: Sorry, zu spät. So ziemlich jedes Bike- und Outdoor-Medium habe schon mit der gleichen Frage angeklopft. Vom Hersteller käme in absehbarer Zeit kein Nachschub: Die kämen mit dem Ausliefern der 215 Gramm leichten Dinger an die Shops kaum nach. Trotz des Preises.

Nur: Ich hatte den Helm gesehen. Den von Cornelia (zu klein) kurz aufgesetzt. Und: Ich brauchte einen Helm. Wiener Shops hatten Restposten. Meist in der falschen Größe. Immer in der falschen Farbe.

Foto: THomas Rottenberg

Aber bei DEM Preis muss alles passen. Denn – festhalten – 350 Euro für einen Radhelm sind kein Lercherlschas. Ohne MIPS? Rund 280 Euro – auch eine Menge Geld. Online machte ich einen Zufallstreffer: Ein deutscher Online-Outdoor-Shop hatte "Wochenendpreise". 30 Prozent günstiger. Immer noch sehr viel Geld – aber: Wie viele Köpfe kann ich in diesem Leben noch verbrauchen? (Außerdem sehe ich das Helm-Thema analog zum Haushaltversicherungsthema: So lange ich gegen UFO-Abstürze und Dinosaurierangriffe in meinem Wohnzimmer versichert bin, werden Aliens und Dinos mich ignorieren.)

Kein Insektenschutznetz

Der Helm kam – und passte. Und aus. Aus? Nicht ganz: Einen "Bug" hat er. Mein alter Uvex hatte vorne zwischen den Helm-Lamellen kleine Insektenschutznetze. Für das Lob dieser Dinger wurde ich regelmäßig verlacht. Von Fahrern, Herstellern und Händlern: Man verzichte auf ausdrücklichen Wunsch echter Profis auf das uncoole Feature. Standardansage: "Ich fahre seit Jahrzehnten – und hatte noch nie eine Wespe im Helm." Na gut.

Aber – Bingo – bei der ersten Ausfahrt knallte mir eine Biene an die Birne. Jedenfalls purzelte das tote Tier aus dem Helm, als ich ihn abnahm: Die Kollision mit meinem Kopf hatte sie nicht überlebt. Aber die Biene hatte auch keinen Helm getragen … (Thomas Rottenberg, 5.7.2015)

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