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Am Freitag wurde vor der tunesischen Botschaft in London mit einer Schweigeminute der britischen Todesopfer von Sousse gedacht.

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Mehr als 1.000 Beamte waren in London im Einsatz, als die Polizei mit dem Manöver "Starker Turm" ihre Reaktion auf mögliche Attacken auf die Probe stellte.

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Eine Woche nach dem Massaker von Sousse sucht Großbritannien nach neuen Antworten im Kampf gegen den islamistischen Terror. Am Freitag gedachten Hunderttausende mit einer Schweigeminute der 30 britischen von insgesamt 38 Todesopfern. Die Royal Air Force bereitet sich auf eine Ausweitung ihrer Luftschläge gegen die IS-Miliz vor. Die Regierung will zukünftig nicht nur Ziele im Irak, sondern auch in Syrien angreifen. Premierminister David Cameron sprach im Unterhaus vom "Kampf dieser Generation" und mahnte erneut einheimische Muslime zu größerer Wachsamkeit gegenüber Extremisten: "Wir müssen mehr Intoleranz gegenüber der Intoleranz zeigen."

Anders als im Sommer 2013, als es um die Chemiewaffen des syrischen Diktators Bashar al-Assad ging, scheinen Cameron und sein Verteidigungsminister Michael Fallon diesmal mit der Unterstützung der oppositionellen Labour-Party rechnen zu können. Dies deutete deren Interimsvorsitzende Harriet Harman an: Es müsse "alles getan werden, um das furchtbare Unterdrückerregime zu beseitigen". Für eine Änderung des Parlamentsmandats, das sich bisher ausdrücklich auf irakisches Territorium beschränkt, brauchen die Konservativen wegen Abweichlern in den eigenen Reihen die Labour-Stimmen. Hingegen warnte der frühere liberale Parteichef und UN-Beauftragte für Bosnien, Paddy Ashdown, vor mehr Gewalt: "Es wird nichts gelöst, wenn man noch mehr muslimische Araber bombardiert."

Einsatzübung der Polizei

Wenige Tage vor dem 10. Jahrestag der Londoner Bomben in der U-Bahn und einem Doppeldeckerbus übte die Londoner Polizei diese Woche ihre Reaktion auf eine Attacke durch Terroristen. Mehr als 1.000 Beamte, dazu Sanitäter und Feuerwehr, waren in der Innenstadt rund um den stillgelegten U-Bahnhof Aldwych im Einsatz. Das seit Monaten geplante Manöver "Starker Turm" hatte durch den Anschlag in Tunesien ungewollte Brisanz erhalten, basierte aber auf früheren islamistischen Massakern: dem Überfall auf mehrere Hotels in Bombay 2008, dem Blutbad in einem Einkaufszentrum der kenianischen Hauptstadt Nairobi 2013 und den Attacken in Paris im vergangenen Jänner.

Polizeiführer wollten die Einsatzbereitschaft einer neuen Spezialeinheit von 130 bewaffneten Beamten überprüfen; die normalen Streifenpolizisten führen bis heute zwar Schlagstock und Pfefferspray, aber keine Pistole bei sich. An neuralgischen Stellen wie am Parlament, im Regierungsviertel von Westminster und in der City of London patrouillieren aber routinemäßig auch Spezialbeamte mit Maschinenpistolen.

Hunderte Briten in Syrien

Natürlich wolle man Terrorangriffe in erster Linie verhindern, erläuterte Polizeipräsident Bernard Hogan-Howe. "Aber wenn wir die Pläne nicht vereiteln können, wollen wir Anschläge jedenfalls möglichst rasch zum Erliegen bringen."

Während die Sicherheitskräfte ihre Einsatzbereitschaft testen, spricht die Regierung über neue Anforderungen an die Zivilgesellschaft. Am Mittwoch trat ein neues Gesetz in Kraft, das Schulen und Universitäten zur Bekämpfung extremistischer Ideologien verpflichtet. Immer wieder hatten islamistische Hassprediger an britischen Hochschulen Gelegenheit dazu, ihre Interpretation des Jihad vorzustellen. Dem Leiter des Inlandgeheimdienstes MI5 zufolge waren mittlerweile rund 700 Briten als Bürgerkriegskämpfer in Syrien. Etwa die Hälfte sei zurückgekehrt, vermutet Andrew Parker. Rund 30 gelten als so gefährlich, dass die Behörden sie permanent überwachen.

Cameron kritisiert Muslime

Schulen sollen nun ähnlich umfassende Strategien gegen die Beeinflussung durch Extremisten entwickeln, wie sie in den vergangenen Jahren zur Vermeidung von Sexualverbrechen vorgelegt wurden. Erst im vergangenen Jahr wurden in Birmingham, der zweitgrößten Stadt Englands, mehrere Direktoren und Gouverneursräte lokaler Schulen ausgewechselt; offenbar hatten Radikale versucht, die Lehranstalten zu unterwandern.

Premier Cameron nahm erst kürzlich die religiöse Minderheit der Muslime in die Pflicht. Einer der Gründe für die Radikalisierung junger Leute liege in der "stillschweigenden Billigung" extremistischer Ideen und Vorurteile durch erwachsene Muslime auf der Insel, glaubt der Regierungschef. "Da wird die Grundlage gelegt, dass junge Leute ihre schwelenden Vorurteile in mörderische Absichten verwandeln." (Sebastian Borger aus London, 3.7.2015)