Um 1916 schuf Gustav Klimt diesen "Apfelbaum II", der 2001 womöglich an die falschen Erben restituiert wurde. Die Fachliteratur kennt bislang nur drei Versionen dieses Motivs, es könnte aber noch eine vierte existiert haben.

Foto: Archiv/Belvedere

Wien – Wie der Kurier (5.7.) berichtete, könnte Gustav Klimts Apfelbaum II 2001 an die falschen Erben restituiert worden sein: an die Nachfahren Nora Stiasny statt an jene von August Lederer. Dafür sprechen Indizien, die damals bekannt waren, jedoch ignoriert wurden. Aber der Reihe nach. Das Gemälde war 1961 über einen Rückstellungsvergleich (von 1949) mit Gustav Ucicky in den Bestand der Österreichischen Galerie gekommen.

Als Voreigentümer nannte das erste Klimt-Werkverzeichnis (Nowotny/Dobai, 1967) August Lederer, eine Provenienz, die Hubertus Czernin 1999 in einem Standard-Artikel infrage stellte. Seine Theorie: Die Lederer-Angabe sei falsch, vielmehr habe Ucicky das Bild von Nora Stiasny erworben. Der Haken: Klimt malte dieses Motiv mehrmals. Laut gültiger Fachliteratur gab es drei Varianten: neben gegenständlicher den Goldenen Apfelbaum (1903, Sgl Lederer, 1945 auf Schloss Immendorf verbrannt) und Apfelbaum I (1912, Slg. Bloch-Bauer, Belvedere, 2006 restituiert).

Vierter "Apfelbaum" verschollen

Eine vierte Version stand also nicht zur Debatte, dabei hatte Johannes Dobai die Existenz einer solchen (Apfelbaum III, vor 1905) in seiner Dissertation (1958) vermutet. Darauf beziehen sich auch die Autoren später publizierter Werkverzeichnisse: sowohl Alfred Weidinger (2007, Kat. Nr. 104) als auch Tobias Natter (2012, Kat. Nr. 91) listen ein wohl in den späten 1890ern entstandenes und als Sammetapfelbaum (Seidenäpfel) bezeichnetes Werk ("Technik und Maße unbekannt"), das gegenwärtig als verschollen gilt.

In dem von Belvedere-Provenienzforscherin Monika Mayer nach eingehender Recherche im Jänner 2000 dem Kunstrückgabebeirat vorgelegten Dossier, findet sich in den Beilagen Dobais zugehöriger Auszug aus der Dissertation, jedoch maß man diesen Angaben offenbar zu wenig Bedeutung bei. Vermutlich auch, weil Nora Stiasny laut Vermögensanmeldung ein Apfelbaum-Bild besaß. Fazit: Da die Lederer-Provenienz für Apfelbaum II damals nicht belegbar war, konnte sie nicht stimmen.

Im Februar 2001 fand Mayer im Staatsarchiv jedoch einen Hinweis, der diese Annahme ins Wanken brachte. Demnach besaß auch Lederers Tochter Elisabeth Bachofen-Echt im Juli 1938 nachweislich eine als Ölskizze bezeichnetes Apfelbaumbild und eventuell handle es sich um die jetzt Stiasny zugeordnete. So hätte Letztere tatsächlich eine vierte Version besessen (Verbleib unbekannt). Mayer informierte ihren Vorgesetzten (Gerbert Frodl) sowie den Leiter der Kommission für Provenienzforschung (Ernst Bacher) und regte zusätzliche Recherche an.

Zugang zu Lederer-Archiv

Frodl befand ein Gutachten des Belvedere-Restaurators für ausreichend, dazu hatte der Beirat die Rückgabe bereits im Oktober 2000 empfohlen. Das von Auktionshäusern damals auf 20 Millionen Dollar geschätzte Bild wurde restituiert und wurde STANDARD-Recherchen zufolge über Daniella Luxembourg in eine private Sammlung verkauft, dem Vernehmen nach in jene der Familie Lauder.

Anfang April dieses Jahres informierte einer der Lederer-Erben die Kommission über seinen Verdacht. Seither wird diese Causa geprüft, betont Eva Blimlinger, wissenschaftliche Koordinatorin des Beirates.

Auf Anfrage bekräftigt Monika Mayer ihre damalige Vermutung und verweist auf einen Brief Elisabeth Bachofen-Echts vom Juli 1940, in dem sie Verkäufe ihrer "Habseligkeiten" erwähnt. Gut möglich, dass Ucicky es von ihr erwarb. Ein nichtiges Rechtsgeschäft dennoch. Wo sich Dokumente finden könnten, die detaillierten Aufschluss geben? Im Lederer-Familienarchiv, meint Blimlinger. Um einen Zugang bemühe man sich. Das klingt jedoch einfacher als es ist, denn es ist im Besitz jener Erbenmehrheit, die selbst dem nun aktiv gewordenen Zwölftelerben bislang keinen Einblick gewährte.

Sollten sich herausstellen, dass die Restitution 2001 tatsächlich an die falsche Erbengruppe erfolgte, dann wäre das für die Republik ein unangenehmes Debüt, das einer Lösung bedürfe. Ein Präzedenzfall auch für Juristen, die das unterschiedlich werten. Die einen betrachten die Causa als erledigt und sehen keine Rechtsansprüche. Die anderen neigen dazu, über die erfolgte Rückgabe klagbare Ansprüche abzuleiten: sowohl gegenüber der Republik als auch den Stiasny-Erben, die, wenn auch unverschuldet, über die falsche Rückgabe bereichert wurden. (Olga Kronsteiner, 7.7.2015)