Foto: Eddie Schlesinger
Foto: Eddie Schlesinger
Foto: Eddie Schlesinger

Zwei verschollen geglaubte Spielkonsolen innerhalb weniger Tage: Nachdem Ende vergangener Woche Fotos der nie erschienenen Nintendo-PlayStation aufgetaucht sind, hat nun ein vermeintlicher Prototyp des legendär gescheiterten Systems Infinium Phantom das Licht der Öffentlichkeit erblickt.

Geschichte einer Vaporware

Die Berichte über die Nintendo-PlayStation hatten Eddie Schlesinger, ein Leser der Branchenseite Ars Technica und Betreiber eines PC-Reparaturladens in Venice, Florida, daran erinnert, dass vor rund drei Jahren ein Sammler eine mysteriöse Konsole zur Inspektion vorbeigebracht hatte. Der Sammler hatte das Gerät einem Mann für 200 Dollar abgekauft, der nicht wusste, was dieses "Phantom-Ding" sei. Sowohl der Sammler als auch der PC-Reparateur wussten jedoch sofort, worum es sich handelte, waren die Konsole und dessen zwielichtiger Hersteller in den vergangenen Jahren doch oftmals in die Schlagzeilen von IT-Seiten gelangt.

2002 erstmals vorgestellt, versprach die Phantom schier revolutionäre Dinge für die damalige Zeit. Sie sollte die Einfachheit einer Spielkonsole mit der Rechenleistung und Modularität eines PC verbinden und Games online von Servern streamen können – ein Konzept, das erst zehn Jahre später von Firmen wie OnLive und Gaikai kommerzialisiert wurde und selbst heute mit großen Playern wie PlayStation Now noch nicht den Kinderschuhen entwachsen ist. Abgesehen von einigen Präsentationen auf Messen, wiederholt verpassten Veröffentlichungsterminen und Rechtstreitereien mit anderen Herstellern folgte der Ankündigung in den Folgejahren allerdings wenig Greifbares. Bis 2006 sammelten sich bei Infinium Labs Verluste in Millionenhöhe an und Geschäftsführer Tim Roberts sah sich mit einer Anklage der US-Börsenaufsicht SEC wegen Aktienbetrugs konfrontiert. Die Phantom ging daraufhin endgültig als Vaporware in die Geschichte ein.

Ein Haufen nichts

Das von Schlesinger fotografierte Modell ähnelt äußerlich dem damaligen Designprototyp von Infinium-Auftragnehmer Robrady bis ins kleinste Detail. Allerdings lässt sich nicht verifizieren, woher das Gerät tatsächlich stammt und zu welchem Zeitpunkt es gefertigt wurde. So ist auch nicht klar, ob die verbaute Hardware den tatsächlichen Produktplänen entspricht, wenngleich sie den Spezifikationen den Beschreibungen nach zumindest sehr nahe kommt.

Das Innenleben gibt ein Mikro-ATX-Mainboard mit Arbeitsspeicher und Nvidia FX5700 AGP-Grafikkarte frei. Die zahlreichen Anschlüsse auf der Rückseite entsprechen dem Designprototyp, wobei einige davon nur Dummys sind. Verbaut war zudem eine Festplatte, auf der das Betriebssystem Windows XP installiert war und mit der sich zumindest das Phantom-Promo-Video (s.u.) abspielen ließ.

Adam Washington

Schäbige Maschine

Als Schlesinger den Prototyp zu Gesicht bekam, sei er wenig begeistert gewesen, erinnert er sich. "Das war so eine schäbige Maschine, unmöglich, dass dieses System einem fertigen Gaming-System entsprechen kann", so der PC-Spezialist gegenüber Ars Technica. Angesichts der damaligen Entdeckungen seitens der SEC erscheint dies allerdings nicht verwunderlich: So seien von den Gesamtausgaben Infiniums in der Höhe von 62,7 Millionen Dollar innerhalb der ersten drei Jahre 50 Prozent ins Marketing geflossen, weiterer großer Teil in die Gehälter der Angestellten und Berater und nur 3,5 Millionen in die tatsächliche Entwicklung. Heute wie damals schwer vorstellbar, dass sich mit dieser Summe eine revolutionäre neue Spielkonsole samt Online-Netzwerk auf die Beine stellen lässt. (zw, 8.7.2015)