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Der britische Popstar Paul Weller bot beim Wiener Jazzfest ein solides Konzert quer durch seinen Katalog.

Foto: APA / Hans Klaus Techt

Wien – Contenance, bitte! Tanzen ist nicht vorgesehen. Nicht beim Jazz, nicht in der Oper. Schlagen wir hier schnell ein Kreuz. Ausnahmen, nein, die werden nicht gemacht, leider. Nicht einmal bei Paul Weller. Der hat zwar weder mit Jazz noch mit Oper etwas zu tun, doch das Wiener Jazzfest veranstaltete den britischen Popstar in der Wiener Oper. Schlechtes Glück für jene Fans, denen Wellers Musik auf dem Parkett ins Tanzbein fuhr und die sich erdreisteten, dieser Stimulanz nachzugeben. Bitte hinsetzen, Ohrenstöpsel gefällig? Da ging manch einer lieber ganz.

Zur Ehrenrettung des exekutierenden Personals sei gesagt: Das Tanzverbot ist sicher rechtskonform und feuerpolizeilich eins a. Gute Stimmung macht es keine. Nicht im Parkett. Oben, in den Logen, wurde geshakt, Luftgitarre gespielt und manch ein Sakko durchgeschwitzt, als Paul Weller am Dienstagabend loslegte. Und das kann er, loslegen. Denn Weller steht unter Druck. Immer.

Schon seine Körpersprache verrät eine Energie, die rauswill. Also haut er rein, eröffnet den Abend mit dem programmatischen "I'm Were I Should Be", es folgen "Long Time" und "From the Floorboards Up". Damit ist ein Gutteil des musikalischen Rahmens des Abends abgesteckt.

Weller spielt beseelte Rockmusik. Unterstützt wird er von zwei Schlagzeugern, einem Bassisten, einem zweiten Gitarristen sowie einem Mann hinter einer Tastenburg, der Balladen wie "Wild Wood" mit den Klängen einer Hammond-Orgel auffettet.

Seine Energie bezieht der 57-Jährige aus seiner persönlichen Prägung. Schließlich ist er zu Zeiten des britischen Punk mit der Band The Jam bekannt geworden. Diese hobelte im Sinne Altvorderer wie The Who neue Späne und war bis 1982 sehr erfolgreich. Dann überwarf sich Weller mit The Jam und bog mit neuer Band in Richtung Soul ab, mit den bis 1989 bestehenden The Style Council.

Schon deren Name verdeutlicht, dass es bei Weller immer auch um Äußerlichkeiten geht, bis heute gilt er zu Hause auf der Insel als einer der bestgekleideten Briten. Zurzeit trägt er eine unpeinliche Frisur, hat sich den Igel oben am Scheitel endlich auswachsen lassen, der ihm in weniger ergebenen Kreisen den Rufnamen Paul Wella eingetragen hat.

Heiliger an der Vespa

In der Oper spielte er sich quer durch seinen Katalog inklusive einiger Songs seines aktuellen Albums "Saturn Patterns". Die kamen beim weitgehend elegant gewandeten Publikum noch nicht ganz so toll an wie ältere Songs – etwa das wunderbare "Come On / Let's Go" oder der The-Jam-Klassiker "Start", der manch einer Dame im pepitagemusterten Kleid Schreie der Verzückung entlockte. Dagegen gibt es, so scheint es, keine Verordnung, das Saalpersonal schritt nicht ein.

Für die Ballade "You Do Something to Me" stellte Weller die Gitarre kurz weg und drückte selbst die Tasten. Die anwesenden Mods und Modettes im Hause seufzten, für sie ist Weller ein Heiliger. Autofahrer vertrauen hierzulande dem Schutz des Christophorus, Mods haben ein Abbild des heiligen Paul an der Vespa kleben. Als Vertreter des britischen Mod-Revivals der 1970er- und 1980er-Jahre gilt er als Modfather.

Am Dienstag hat dieser Schutzpatron nichts falsch gemacht, war gut gelaunt und spielte mit einer bestens abgestimmten Band scharf wie immer. Dabei gerieten manche Titel wie "White Sky" vielleicht ein wenig zu kraftlackelig, besser steht ihm jene Eleganz, die er aus dem Soul bezieht. (Karl Fluch, 8.7.2015)