Bild nicht mehr verfügbar.

Die deutsche Kanzlerin muss beim Telefonieren wohl ihre Worte mit Bedacht wählen – fast alle Vertrauten werden von der NSA abgehört.

Foto: AP/Sarbach

Der US-Nachrichtendienst NSA hat offenbar ein enges Überwachungsnetz um die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gespannt. Das Enthüllungsportal Wikileaks veröffentlichte eine Liste mit 56 Telefonnummern, die von der NSA abgehört worden sind. Darunter fallen die Anschlüsse zahlreicher Mitarbeiter des deutschen Kanzleramts. Außerdem sollen CDU-Fraktionschef Volker Kauder und der ehemalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) belauscht worden sein. Auch eine alte Handynummer Merkels ist auf der Liste zu finden.

Schon seit 1990er-Jahren

Insgesamt reichen die Selektoren – so nennt man im Geheimdienstjargon die Telekommunikations-Merkmale von Zielpersonen – bis in die frühen 1990er-Jahre zurück. Denn schon ein Vertrauter des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl soll sich laut "Süddeutscher Zeitung" auf der Liste befinden. Auch Beamte aus der rot-grünen Ära unter Gerhard Schröder sind unter den Zielpersonen. Die NSA soll ein besonderes Interesse an den Bereichen "Außen- und Sicherheitspolitik, Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie BND-Aufsicht" gehegt haben.

Hochgeheime Depeschen publik gemacht

Wikileaks veröffentlichte außerdem drei weitere hochgeheime Depeschen, die anhand der abgehörten Telefonate erstellt worden waren. Sie wurden vermutlich der US-Regierungsspitze vorgelegt. Dabei handelt es sich etwa um die Zusammenfassung eines Telefonats zwischen Merkel und Mohammed bin Zayid al Nuhayyan, Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate. Die zwei Politiker besprachen dabei die US-Politik gegenüber der iranischen Regierung.

Diplomatische Konsequenzen

Außerdem wurden Gespräche über den Weltwährungsfonds sowie den zur Eurostabilisierung eingerichteten EFSF abgehört. Die Wikileaks-Enthüllungen könnten ernsthafte diplomatische Konsequenzen haben. Bereits letzte Woche hatte die Plattform die Überwachung zahlreicher deutscher Spitzenbeamter publik gemacht. Damals war der US-Botschafter in Berlin ins deutsche Kanzleramt zitiert worden. Der deutsche Generalbundesanwalt hatte im Frühjahr Ermittlungen zur Überwachung von Merkels Privathandy aus Mangel an konkreten Beweisen abgebrochen. (fsc, 8.7.2015)