Die Natur stellt 3D-Artists und Programmierer immer wieder vor große Herausforderungen, wenn es um die Simulation von physikalischen Vorgängen in Videospielen geht. Selbst scheinbar kleine Details wie die realistische Animation von Stoffen oder Blättern im Wind können Entwicklern ob begrenzter Hardware-Kapazitäten von Spielkonsolen und Spiele-PCs Kopfzerbrechen bereiten.

Eine dieser kniffligen Problemstellungen ist die Simulation von Haaren, der sich in den vergangenen Jahren nicht nur Software- sondern auch Hardwarehersteller wie Nvidia und AMD angenommen haben.

Viel Technik hinter einem natürlicheren Look.

Schwebend und klumpig

Für das kommende Action-Adventure "Rise of the Tomb Raider" beispielsweise arbeitet das britische Studio Crystal Dynamics zusammen mit AMD an einer neuen Technologie, mit der Lara Crofts Frisur von Wind und Wetter glaubhafter in Mitleidenschaft gezogen wird. Details, die neben feineren Gesichts- und Körperanimationen dafür sorgen sollen, dass Spieler glauben, es mit einem echten Menschen zu tun zu haben – wenn auch einem Menschen mit übermenschlichen Fähigkeiten.

"Wir glauben definitiv, dass die Haar-Technologie, die wir zusammen mit AMD entwickelt haben, die Grundlage dafür ist, wie Haare unserer Ansicht nach in zukünftigen Videospielen gerendert werden", schreibt Game-Director Brian Horton in einem Blogeintrag zum Spiel. "Wenn Lara unter Wasser taucht, schwebt ihr Haar, und wenn sie aus dem Wasser steigt, fühlt es sich schwerer und klumpiger an und offensichtlich sieht es nass und dunkler aus. All diese Dinge inklusive Schnee, der sich in den Haaren verfängt, haben wir in unserer Technologie verbaut."

Lara Crofts Frisur hält keinem Wetter stand.
Tomb Raider Chronicles

Rücksicht auf Ressourcen

Horton weist darauf hin, wie wichtig es bei dieser Entwicklung war, die Hardwareressourcen zu berücksichtigen. Technologien wie TressFX (AMD) oder HairWorks (Nvidia), die virtuelle Haare physikalisch simulieren, können Grafikkarten bei aufwendigen Spielszenen gut und gerne in die Knie zwingen – wenig lohnend, wenn es dabei um ein relativ kleines optisches Feature geht. "Wir haben Techniken entwickelt, die es uns erlauben, mehr Haare bei wenigeren physikalischen Berechnungen darzustellen. Das Haar funktioniert nun in Clustern. Damit Haare natürlich fallen, orientieren sie sich an benachbarten Haaren, die ihnen eine Form geben. So fühlt es sich ein wenig natürlicher an, wenn sie sich bewegen."

Frau Crofts männlicher Rivale Nathan Drake von "Uncharted 4" steht ihr in Sachen Haarpracht übrigens um nichts nach. Für das neueste Kapitel wurden dem Abenteurer neben nassen Haaren im Regen oder schlammigen Haaren im Dreck sogar animierte Brusthaare verpasst – der FriseurStandard berichtete.

Sogar Nathan Drakes Brusthaare sind animiert.
Foto: Uncharted 4: A Thief's End

Die Haare von morgen

Wie die Frisuren der nächsten Videospielgeneration aussehen werden, demonstriert hingegen ein 3D-Artist namens Tarkan Sarim, der bereits für Firmen wie WETA gearbeitet hat. Mithilfe der Technologie HairWorks zeigt er wie es aussieht, wenn 500.000 einzelne Haare individuell und physikalisch gerecht(er) animiert werden und man keine Rücksicht auf Leistungsbegrenzungen nehmen muss.

Unmenschlich viele Haare realistisch animiert.
Tarkan Sarim

Ein Traum für Shampoohersteller und Haarsprayverkäufer, hat es Sarim mit 500.000 Haaren doch besonders gut gemeint – das sind gut fünf Mal mehr Haare, als reale Menschen bei voller Abdeckung auf ihrem Haupt tragen. Der nächste unmögliche Triumph moderner Spielegrafik. (Zsolt Wilhelm, 10.7.2015)