Beim Auftritt im New Yorker Jazzclub hören, anders als in Deutschland, die Gäste zu: Katja Riemann in "Die abhandene Welt".

Foto: Filmladen

Trailer zum Film.

vipmagazin

Wien – Die eine Frau singt Jazz in deutschen Nachtclubs, die andere Arien an der Metropolitan Oper in New York. Die eine wird mit ihrem Trauergesang vor die Tür gesetzt, die andere mit ihren Arien zum Star. Doch irgendetwas, man ahnt es bereits, verbindet die beiden, und weil es der Musikgeschmack nicht sein kann, muss es da wohl noch ein Geheimnis geben.

Das Bild der Opernsängerin, das Paul (Matthias Habich) an seine vor einem Jahr verstorbene Frau erinnert, findet er zufällig im Internet. Paul wohnt nunmehr allein in einem modernen Haus nahe am Wald, und wenn er seine Tochter, eine erfolglose Nachtclubsängerin, nach New York auf Forschungsreise schickt, steht er auf einem Steg am See. Stille Wasser sind tief, und die Zeit drängt.

Margarethe von Trotta war vor mehr als dreißig Jahren eine politische Filmemacherin. Was ihre Arbeiten bemerkenswert machte, war die Art und Weise, wie in ihnen das Politische und das Private zusammenfielen, sei es im Fall der Schwestern Christiane und Gudrun Ensslin in Die bleierne Zeit oder in der Biografie der sozialistischen Vorkämpferin in Rosa Luxemburg. Dass sich Margarethe von Trottas Interesse jedoch seit Jahren zunehmend auf das individuelle Umfeld ihrer Figuren verlagert, konnte man zuletzt an ihrem Porträt über Hannah Arendt, mit Barbara Sukowa in der Hauptrolle, beobachten: Der gesellschaftspolitische Rahmen, mithin das Denken der Philosophin und Publizistin, war hier kaum noch wahrnehmbar.

Auch in Die abhandene Welt hat Sukowa, die eine langjährige Zusammenarbeit mit von Trotta verbindet, die Rolle der starken Frau übernommen. Ihre Operndiva deutscher Herkunft hat sich einen Panzer zugelegt, an dem die Frohnatur Sophies (Katja Riemann) als Familienbeauftragte lange Zeit abprallt. Um den Fall zu klären, bedarf es also einer gewissen Hartnäckigkeit – und vieler Szenen, die zunehmend die Verhältnisse zunächst umständlich verkomplizieren, ehe sie endlich geklärt werden können.

Das macht Die abhandene Welt zu einem zwar handwerklich tadellosen, aber unbeweglichen Stück Erzählkino. Will dieser Film spontan sein, wirkt er so inszeniert wie Sophies Überraschungsauftritt in einem New Yorker Jazzlokal, den ihr neuer Liebhaber arrangiert. Das autobiografisch motivierte Schwesternthema, das von Trotta bereits mehrfach thematisierte, führt in Die abhandene Welt letztlich nur zu einer Klärung von Familienverhältnissen. (Michael Pekler, 10.7.2015)