Österreichs Landeshauptleute sind ein Phänomen: Sie gelten als mächtig und sind gleichzeitig beliebt. Das lässt sich wohl damit erklären, dass sie den Idealösterreicher verkörpern: alles besser zu wissen und glücklicherweise nicht gezwungen zu sein, dies auch irgendwann einmal auch beweisen zu müssen. Erfolgreiche Landesväter mischen sich immer und überall ein – bevorzugt in Angelegenheiten, bei denen sie keinerlei Zuständigkeit haben. Gleichzeitig stellen sie regelmäßig Maximalforderungen – wohlwissend, dass diese nicht erfüllt werden können.
Eine Sternstunde österreichischer Innenpolitik konnte man Anfang Juni erleben. Der wahlkämpfende Landeshauptmann von Oberösterreich, Josef Pühringer, übernahm turnusmäßig den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz. Umgehend ließ er in der ORF-Pressestunde mit seiner Forderung nach einem Quotensystem zur Aufteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten sowie für die Einführung temporärer Grenzkontrollen und der Schleierfahndung aufhorchen.
Grenze zu Bayern schließen?
Weder die Quoten-Verhandlungen auf EU-Ebene noch die Frage von Grenzkontrollen fallen in seinen Zuständigkeitsbereich. Und wie und warum Grenzkontrollen wiedereingeführt werden sollen, erschließt sich auch nur unter Berücksichtigung der im September in Oberösterreich stattfindenden Landtagswahlen. Abgesehen von der fehlenden Kompetenz – wo soll denn eigentlich im Land ob der Enns kontrolliert werden? Ob Pühringer die Grenzen zu Bayern dichtmachen will oder gar wieder – rechtzeitig zum 60-Jahr-Jubiläum des Staatsvertrags – auf der Ennsbrücke den Verkehr nach und aus Niederösterreich anhalten möchte, ist unklar. Es wird aber auch nicht nachgefragt. In vorauseilendem Gehorsam hängen Österreichs Innenpolitikjournalisten an den Lippen der mächtigen Landesfürsten und erstarren in Ehrfurcht angesichts ihrer allwissenden Weisheit.
So wurde Pühringer im ORF eher nicht über die eigentlichen Probleme in seinem Bundesland befragt. Völlig ausgespart blieb auch eine grundsätzliche Diskussion über die ominöse Landeshauptleutekonferenz. Dieses Gebilde der österreichischen Realverfassung – in der Bundesverfassung ist diese Quasi-Institution nämlich nicht vorgesehen – entwickelt ein beachtliches Eigenleben. Gleichzeitig fehlen jegliche Transparenz und Öffentlichkeit. Weder tagt die Landeshauptleutekonferenz öffentlich, noch gibt es eine einsehbare Tagesordnung und schon gar kein Protokoll oder schriftliche Beschlüsse, die allgemein zugänglich wären.
Jedes Treffen der vielkritisierten Bilderberg-Gruppe läuft bürgerfreundlicher ab. In Zeiten, da Transparenz und Legitimierung gefordert werden, ist die Landeshauptleutekonferenz ein Relikt früherer Zeiten.
Man hätte Pühringer auch über die seit Jahren angekündigte Reform des Bundesrates befragen können. Das hätte einen Länderbezug gehabt. Oder warum in Oberösterreich noch immer das alte Proporzsystem in der Landesregierung herrscht. Dort sitzen ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne gemeinsam in der Regierung. Ein modernes System von Regierung und Opposition vermisst man. Stattdessen wird lieber über Asylquoten auf EU-Ebene geredet. Eine Forderung die – das wissen alle – nicht erfüllt werden kann. Aber gerade deshalb so gern thematisiert wird.
Aber auch andere Landeshauptleute beherrschen dieses Spiel. Die vollmundig angekündigte "bindende Stellungnahme" der Bundesländer zu den laufenden Freihandelsgesprächen der EU mit den USA ist ein weiteres Beispiel. Die neuerliche Stellungnahme der Länder gemäß Artikel 23d der Bundesverfassung ist ein gekonnter Etikettenschwindel. Österreichs Bundesländer haben keine Zuständigkeit im Bereich Investitionsschutz oder in Fragen des Schutzes von Herkunftsangaben für Lebensmittel.
Auch die Forderung nach einer obligatorischen Ratifizierung durch das österreichische Parlament ist nett, aber weder rechtlich möglich noch nötig. Dass im Bereich Außenhandel eine weitgehende EU-Kompetenz besteht, wissen die Beteiligten natürlich. Es kümmert sie nur nicht. Die Stellungnahme wird nämlich nicht der Sache wegen, sondern für die innenpolitische Galerie fabriziert. Mit vollem Bewusstsein, dass gar keine Länderkompetenz existiert und man daher gar keine bindenden Vorgaben machen kann.
Und es werden auch wieder Maximalforderungen erhoben, die nie und nimmer erfüllt werden. Ein Blick etwa ins Abkommen mit Kanada hätte genügt, um zu sehen, dass eben nur ein Bruchteil der ach so wichtigen Herkunftsbezeichnungen in internationale Handelsabkommen übernommen wird.
Den Vogel abgeschossen hat aber natürlich die neue burgenländische Landesregierung. Ihr sogenanntes Regierungsübereinkommen liest sich wie ein Wunschbrief ans Christkind. Nichts als Forderungen an andere Institutionen, keinerlei Gestaltung im eigenen Zuständigkeitsbereich. Es wird Zeit, Österreichs Landeshauptleute an ihren eigentlichen Zuständigkeitsbereich zu erinnern. Die Führung eines Bundeslandes sollte jedenfalls mehr sein, als sich in Bereiche einzumischen, die einen nichts angehen. (Stefan Brocza, 10.7.2015)