Die Betten sehen aus, als würde noch diese Nacht jemand darin schlafen. Frisch bezogen sind die Pölster, gefaltet die Decken. Doch der Kunststoffboden wellt sich. Einige Glühbirnen sind grau. Von einer Wand über einer alten Sitzwanne blättert weiße Farbe ab. Dem Spülkasten der Toilette fehlt der Deckel.

Zoltán Jaroš, Leiter des Uni-Areals in Gabčíkovo, sagt, es muss noch viel an Sanierungsarbeiten geschehen.
Christian Fischer

"Es ist erst Halbzeit", sagt Zoltán Jaroš. Der Leiter dieser Universitätsgebäude in Gabčíkovo, einer 5.400-Einwohner-Stadt im Südwesten der Slowakei, weist auf bereitstehende Farbeimer und noch zu reparierende Aufzüge hin. "Elektrik, Wasserleitungen und Heizungen müssen erst überprüft werden", sagt der 62-Jährige mit dem grauen Seitenscheitel. Wie zum Beweis für seine Worte trägt ein Mann in Arbeitshose eine Tür vorbei.

Noch im Juli sollen Flüchtlinge, deren Asylverfahren in Österreich laufen, hierherziehen, um das Lager in Traiskirchen zu entlasten. Im August sollen 200 Flüchtlinge folgen, weitere 250 im September. Das sei ein freiwilliger Deal mit Österreich, sagte der slowakische Innenminister Robert Kaliňák am Donnerstag in Luxemburg.

Je fünf Betten, aufgeteilt auf zwei Zimmer, stehen zur Verfügung. Dazu ein kleines Bad und ein WC.
Christian Fischer

Mehr als eineinhalb Stunden Autofahrt sind es von Traiskirchen hierher. Bratislava ist etwa 50 Fahrminuten entfernt. Die Anlage mit Wohnkomplex gehört der Technischen Universität Bratislava, die nun auch die Instandsetzungs- und Putzarbeiten bezahlt. Jaroš sagt, man werde neben der Unterkunft auch für die Verpflegung sorgen. Über Rechts- und Sicherheitsfragen diskutiert das österreichische Innenministerium noch.

2.240 Menschen hätten Platz

Das Areal entstand in den frühen 1980er-Jahren, als in wenigen hundert Metern Entfernung der Bau eines Donaukraftwerks – heute das größte in der Slowakei – begann und viele Menschen hier eine Wohnung brauchten. Bis zu 2.240 Personen könnten insgesamt in den acht fünfgeschoßigen Gebäuden wohnen. Doch derzeit sind es weit weniger. Es stehen auf je 42 Quadratmetern Fläche inklusive Bad und WC fünf Betten zur Verfügung.

Video aus der geplanten Flüchtlingsunterkunft.
fischer

Außerdem gibt es einen Seminarsaal mit Beamer, der auch als Kino genutzt werden kann. "Damit die Menschen mit ihrer Zeit etwas anzufangen wissen", sagt Jaroš. Gegenüber befindet sich ein Fitnessraum, in dem laut dem Hausherren auch schon Europameister Kampfsport trainierten. Er verweist auch auf den Fußball- und einen Volleyballplatz. Platzmangel ist hier kein Thema.

Breite Gänge führen in großzügige Eingangshallen. In dem derzeit genutzten Speisesaal, der neben jenem liegt, in dem die Flüchtlinge dann essen sollen, stehen insgesamt rund 200 Stühle an langen Tafeln. Etwa ein dutzend Sessel ist an diesem Freitag zu Mittag belegt. Von den Hauseingängen führen breite Asphaltwege zu einer Parkfläche, auf der dutzende Pkw Platz fänden. Zwei Wagen parken da.

Nur wenige Menschen essen in dem riesigen Speisesaal.
Christian Fischer

Es waren schon Flüchtlinge da

Das Areal liegt zwischen dem eigentlichen Ort Gabčíkovo und dem Wasserkraftwerk, das etwas außerhalb steht. Derzeit bewohnen es einige Arbeiter. In einem der Häuser ist ein Jugendcamp untergebracht. Und auch ein paar Studenten sollen hier unterwegs sein. "Touristengruppen sind ebenfalls keine Seltenheit", sagt Jaroš. So kämen immer wieder Gruppen aus Polen, Österreich oder Tschechien vorbei, die Radwege an der Donau entlang. Auch mit Flüchtlingen hat man an diesem Ort Erfahrung. In den Jahren 1992 bis 2009 lebten insgesamt 4.700 Flüchtlinge hier. Die Maximalzahl derer, die gleichzeitig da waren, lag bei 750. Ohne Probleme, meint Jaroš.

Hinter dem Rücken der Rezeptionistin in der Eingangshalle baumeln in einem überdimensionalen Setzkasten hunderte Schlüssel. Die seit 23 Jahren in der Anlage tätige Frau erinnert sich an die Flüchtlinge aus der Zeit des Jugoslawienkriegs. "Das waren andere als die, die man jetzt im Fernsehen sieht", sagt sie. Zu diesen Menschen damals hätten sich Freundschaften entwickelt. Manche seien weit weg gezogen und man pflege immer noch Kontakt.

Die Renovierungsarbeiten sind in vollem Gange.
Christian Fischer

Doch jene, die nun kommen, könnten "vielleicht gewalttägig sein", meint sie. Wenn im Kraftwerk etwas passiere, zum Beispiel eine Explosion, dann könne der ganze Ort überschwemmt werden, sagt die Angestellte, die sich auch vor der Übertragung von Krankheiten fürchtet. Eine Kollegin aus der Administration meint, man müsse und wolle natürlich solidarisch sein. Aber viele hätten eben auch Angst. Ein junger Mann sagt, man brauche sich nicht zu fürchten, die Asylwerber würden ja nur auf dem Areal bleiben. Das stimmt aber nicht: Sie haben das Recht, sich frei zu bewegen. Jaroš, der Hausherr, sagt, jedes EU-Land habe seine Aufgabe zu erfüllen. Das sei doch selbstverständlich.

Die Slowakei selbst hat im Vorjahr von 330 Asylanträgen nur 14 positiv entschieden. Das Land wehrt sich gegen eine Verteilung der Flüchtlinge nach einer fixen Quote. Am Donnerstag einigten sich die EU-Innenminister darauf, 20.000 Flüchtlinge in der EU auf freiwilliger Basis zu verteilen – Zusagen der Länder für doppelt so viele waren ausgeblieben.

Petition gegen Flüchtlingsheim

Auch in Gabčíkovo formiert sich Widerstand – wenngleich Bürgermeister Iván Fenes von offizieller Stelle noch keine Details erfahren haben will. "Ich kann den Leuten nichts sagen", beklagte Fenes am Freitag gegenüber der Austria Presse Agentur. Am Montag habe er einen Brief vom Migrationsamt im slowakischen Innenministerium

Lange breite Gänge, viel Platz.
Christian Fischer

erhalten, demzufolge beschlossen worden sei, "mit der Nutzung der Einrichtungen der Technischen Universität Bratislava in Gabčíkovo für Zwecke der Asyl- und Migrationsproblematik fortzufahren". Gegen ein permanentes Flüchtlingsheim im Ort werde man sich wehren, wenngleich es in der Geschichte der Stadt keine Probleme mit Flüchtlingen gegeben habe.

Bürger haben eine entsprechende Petition gestartet. Rund 1.000 Personen sollen sie bereits bis Freitag unterzeichnet haben. (Gudrun Springer aus Gabčíkovo, 11.7.2015)