Manche Geschichten kann nur das Leben schreiben. So auch folgende, die sich im kanadischen Toronto zugetragen hat. Unfreiwilliges Subjekt der Erzählung: Ein toter Waschbär, der, wenn auch nur kurz, zum Liebling der englischsprachigen Twitteria erhoben wurde.

Die BBC liefert die Chronologie der Ereignisse dazu.

Waschbärschicksal

Am neunten Juli, gegen neun Uhr morgens, entdeckte Jason Wagar am Bürgersteig vor Hausnummer 819 der Yonge Street einen Waschbär. Mangels wahrnehmbarer Regungen und erkennbar art-untypischer Körperhaltung war die Diagnose schnell gestellt: Das Tier war tot. Der Ort des Ablebens legte nahe, dass der pelzige Vierbeiner wohl bei der Kollision mit einem Auto den Kürzeren gezogen hatte.

Soweit, so traurig. Doch in der von 2,6 Millionen menschlichen Menschen bewohnten Hauptstadt der Provinz Ontario vermutlich kein Waschbär-Einzelschicksal. Also wurde die Stadtverwaltung kontaktiert. Und zwar per Twitter, wo sie ein offizielles Konto betreibt. In Kanada nimmt man die Digitalisierung seit je her ernst.

Die reagierte zehn Minuten später und meldete, dass man die zuständige Abteilung, "Animal Services", schon vor einer Weile in Kenntnis gesetzt habe. Das Problem, so möchte man denken, war also bereits dabei, einer Lösung zugeführt zu werden. Doch weit gefehlt.

Abschiednehmen

Wir schreiben drei Uhr Nachmittags und Wagar passiert den Ort des Geschehens erneut – und noch immer hatte niemand dem aus dem Leben getretenen Procon lytor das letzte Geleit gegeben. Doch pietätvolle Unbekannte hatten ihrer Trauer über das Dahinscheiden ihres tierischen Gefährten mit der markanten schwarz-weißen Fellzeichnung Ausdruck verliehen. Mit einer Rose und einem eingerahmten Foto eines waschbärigen Artgenossen.

Mehrere Bürger hatten die Stadtverwaltung nunmehr schon öffentlich über die Entwicklung informiert. Diese aber blieb weiter säumig. Nicht so jedoch die anteilnehmenden Passanten, die die improvisierte Gedenkstätte weiter wachsen ließen. Fotos des kollaborativen Trauerprojekts machten derweil online die Runde und ließen das Twitter-Hashtag #DeadRaccoonTO in die Top-Trends klettern.

Ein Joint für Conrad

Auch Stadtrat Norm Kelly hatte sich mittlerweile eingeschalten. Er rief die Bevölkerung in den Abendstunden auf, zu Ehren von "Conrad" – der Waschbär war mittlerweile posthum getauft worden – die Biotonnen geöffnet zu lassen. Ein Vorschlag, dem Beauftragte für öffentliche Sauberkeit gemeinhin eher nichts abgewinnen können, gelten Waschbären doch als tendenziell rüpelhafte Zaungäste.

Zu später Stunde erreichte die Trauerstätte ihre finale Ausbaustufe. Irgendwer hatte einen Joint in die rechte Tatze von Conrad gesteckt und eine Spendenbox aufgestellt, um Geld für sein Begräbnis zu sammeln. Mehrere Kerzen hüllten das Gesamtkunstwerk in beruhigend flackerndes Licht.

Finale

Eine Stunde vor Mitternacht meldete der Journalist Kris Pangilinan schließlich die Erlösung. Ein Wagen der Stadtverwaltung hatte bei 819 Yonge Street geparkt. Ein Mitarbeiter machte sich schließlich an die Entfernung des toten Waschbärs, ließ das "Memorial" aber weitestgehend intakt.

Pangilinan dokumentierte den Vorgang per Video Das Netz feierte die Gerechtigkeit für den Waschbären. Und Conrad ruhte endlich in Frieden. (gpi, 11.07.2015)