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Der Gouverneur des US-Bundesstaates Wisconsin, Scott Walker, steigt ins Rennen um das Weiße Haus ein.

Foto: AP Photo/Jacquelyn Martin

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde Scott Walker von zornigen Demonstranten mit Hosni Mubarak verglichen. In Kairo hatte der Arabische Frühling den Autokraten zum Rücktritt gezwungen. In Madison, der Hauptstadt des US-Staates Wisconsin, versammelten sich aufgebrachte Gewerkschafter zum wochenlangen Sit-in unter der prachtvollen Parlamentskuppel, während sie auf Poster schrieben, dass dies ihr Tahrirplatz sei.

Walker, der Gouverneur, wollte einen eisernen Sparkurs durchsetzen; zuallererst bei den Staatsbediensteten, die bereits erworbene Pensionsansprüche zurückschrauben und höhere Beiträge zur Krankenversicherung zahlen sollten. So heftig die Proteste des Frühjahrs 2011 waren, am Ende behielt er die Oberhand. Als seine Gegner ein Votum initiierten, um ihn vorzeitig abwählen zu lassen, war es Walker, der triumphierte. Seitdem feiert ihn die Tea Party als ihren Helden – ein Brechstangenreformer, der sich nicht scheut, Tabus zu brechen.

Sein Aufstieg ist umso bemerkenswerter, weil Wisconsin alles andere ist als eine Hochburg der Republikaner. Seit 1988 haben die Bürger dort bei jeder Präsidentenwahl dem Bewerber der Demokraten den Vorzug gegeben. Doch die Angst vor Rekorddefiziten, wie sie die Zeit nach der Finanzkrise prägte, rief nicht nur die Tea Party auf den Plan: Sie sorgt noch immer bis weit in die Mittelschicht hinein für Zuspruch, wenn stramme Politiker fordern, die Ausgaben zu kürzen – notfalls resolut.

Vorbild Ronald Reagan

Gibt Walker den beinharten Sanierer, beruft er sich auf Ronald Reagan, den das rechte Amerika zum kompromisslosen Hüter konservativer Werte verklärt, auch wenn er in Wahrheit pragmatischer regierte als die Legende.

"Es ist ein Mythos, dass man sich ins Zentrum bewegen muss, um das Zentrum zu gewinnen", schreibt der Gouverneur in einem Buch. Der Weg zu einem konservativen Comeback im Weißen Haus führe über "kühne, konservative" Reformen.

Sein Sieg über die Gewerkschaften sichert ihm das Wohlwollen betuchter Spender – allen voran die Brüder Charles und David Koch mit ihrem weitverzweigten Industriekonglomerat. Dabei versteht es der 47-Jährige, das Image des Average Joe zu pflegen, des kumpelhaften Normalverbrauchers mit dem bodenständigen Charme des Mittleren Westens, mit dem andere Average Joes gern ein Bier trinken würden.

Harley-Davidson und Karo-Flanellhemden

Walker fährt Harley-Davidson und zeigt sich gern in billigen Karo-Flanellhemden. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in einem kleinen Nest im ländlichen Iowa, wo sein Vater als Baptistenpfarrer wirkte. Sein Studium an einer Jesuiten-Universität brach er ab: Sollte er die Primaries gewinnen, wäre er seit Jahrzehnten der erste Kandidat ohne College-Abschluss, der ein Wahlfinale bestreitet.

Jedenfalls zählt er, sofern Umfragen in dieser frühen Phase überhaupt etwas aussagen, zu den Topfavoriten unter den mittlerweile 15 Präsidentschaftsanwärtern der Grand Old Party. Die Partei, so sagt er mit einem Seitenhieb auf Jeb Bush, wäre besser beraten, ein frisches Gesicht ins Duell gegen die gealterte Hillary Clinton zu schicken.

Keine außenpolitische Erfahrung

Walkers Achillesferse ist das Fehlen jeglicher außenpolitischer Erfahrung, ausgerechnet in einem Wahlkampf, in dem die Republikaner Barack Obamas vermeintlichen Abschied von der globalen Führungsrolle der USA zum zentralen Thema machen wollen. Die wichtigste außenpolitische Weichenstellung der jüngeren Vergangenheit, meint Walker, habe Reagan getroffen, als er 1981 die Fluglotsen in die Knie zwang und damit einen symbolischen Sieg über die Gewerkschaften errang. "Es war der erste Riss in der Berliner Mauer. Von da an wussten die Sowjets, dass Reagan kein Umfaller war." (Frank Herrmann aus Washington, 13.7.2015)