Durch Twitter rast jetzt die Parole, das sei jetzt ein "Putsch" gewesen. Die anderen Euroländer hätten die rechtmäßig gewählte Regierung Griechenlands zur Kapitulation gezwungen, was deren Sturz zur Folge haben werde. Abseits aller "Fratze des Neoliberalismus"-Hysterie: Tsipras könnte bald auf gemäßigtere Regierungspartner zurückgreifen müssen, wenn es ihm ernsthaft um eine grundlegende Neuaufstellung Griechenlands geht.

Das ist nämlich die eigentliche Aufgabe. Griechenland ist kein funktionierender Staat, jedenfalls keiner, der in dieser Struktur in der modernen Welt prosperieren kann.

Aber es gibt die EU-Familie. Sie hat die Regierung Tsipras unter Sachwalterschaft gestellt. Das ist eine Maßnahme, die man in Großfamilien als letztes Mittel anwendet, wenn der verantwortungslose Großneffe seine Angelegenheiten nicht in Ordnung halten kann, alle anpumpt, ständig grandiose Besserungsversprechungen macht, denen man irgendwann nicht mehr glaubt.

Ob das im Maßstab eines Staatenbundes funktioniert? Die jetzige Lösung will Verhaltensänderungen erzwingen, aber das schaffen ausländische Technokraten nicht. Dennoch, trotz aller unschönen Begleitumstände und offenen Zukunftsfragen: Die EU hat wieder einmal gezeigt, dass sie ein Familienmitglied nicht untergehen lässt. Das alles ist unendlich anstrengend und ärgerlich, aber es ist unser Europa. (Hans Rauscher, 13.7.2015)