Wien – Blau-weiß gestreifte Markisen mit griechischen Lettern erinnern an einen ehemaligen Feinkostladen am Wiener Naschmarkt. Über Jahrzehnte war das Geschäft ein Familienbetrieb. Der griechische Schafskäse in der Vitrine und ein paar Flaschen Olivenöl sind Überbleibsel der Vorbesitzerin. "Es gibt hier kaum noch Griechen am Markt", sagt der neue Standinhaber. "Wegen der Krise", scherzt er. Hat man keine Gastronomie-Lizenz, läuft das Geschäft am Markt schleppend. Ein einziger Stand wird noch von Griechen geführt. Zur Situation im Heimatland will dort aber lieber niemand etwas sagen.

derstandard.at/von usslar

Auch in den meisten Lokalen wird keine öffentliche Aussage zur Krise getroffen. "Ist schlecht fürs Geschäft", sagt ein Lokalbesitzer in Mariahilf. Er befürchtet, dass weniger Menschen bei ihm essen würden, wenn sie erfahren würden, dass er für einen Austritt Griechenlands aus der EU ist. "Es wäre besser für die Griechen."

Gehalt um ein Drittel gekürzt

Im Zentrum werden die Lokalbetreiber gesprächiger. Georg Asvestas arbeitet im Achilleus – einem griechischen Restaurant in der Inneren Stadt, nahe der Griechenkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit am Fleischmarkt, dem Zentrum des Griechenviertels. Seit über 20 Jahren wohnt Asvestas in Österreich und ist glücklich hier. Auch dass die Griechenlandkrise ihn nicht betrifft, erleichtert ihn. Bei seinem Bruder in der Heimat sehe das anders aus: "Sein Gehalt wurde um ein Drittel gekürzt", ärgert sich Asvestas: "Er verkauft gerade sein Auto und will aus Griechenland weg."

Einige Straßen weiter, im griechischen Lokal Orpheus, erzählt Ilias Rokas über die spürbare Solidarität der Österreicher. "Die Kunden sind nett und wollen helfen", sagt der Grieche. Man könnte aber nicht sehr viel unternehmen.

Im Lokal Achilleus werden auch Wassermelonen verkauft. Nicht gerade billig: 10 Euro kostet eine echte griechische Melone.
Foto: Maria Von Usslar

Bei den Reiseveranstaltern ist man optimistisch. Die Zahlen der Reisenden nach Griechenland seien im Vergleich zu den letzten Jahren in etwa gleich geblieben, erzählt Karl Fürst. Er ist Mitarbeiter im Reisebüro "Transaustria" auf der Kärntner Straße: "Bis jetzt gab es nur eine einzige Stornierung."

Olivenöl und Tankgeld

Seit über 35 Jahren importiert die in Wien-Neubau ansässige Firma Mani biologisch produzierte Oliven und Olivenölprodukte aus Kalamata am Süd-Peloponnes nach Österreich. Geschäftsführer Manfred Bläuel sieht in der griechischen Finanzkrise keine Probleme für sein Unternehmen. Sein Bruder lebt mit seiner Familie in der Oliven-Region und produziert mit den ansässigen Landwirten das Bio-Öl. "Ich habe viel Vertrauen in unsere Bauern, das sind sehr fleißige Menschen", erzählt er. Einzige Schwierigkeit: Der Lkw-Fahrer, der die Produkte nach Österreich transportiert, kann mit seiner Bankomatkarte in Griechenland kein Geld mehr abheben. "Ich gebe ihm immer Bargeld, weil er sonst nicht tanken kann."

Ein Ausstieg Griechenlands würde den heimischen Ölivenöl-Konsum aber nicht beeinflussen: "Wir haben das schon lange, bevor Griechenland zur EU gekommen ist, gemacht, die Zölle sind mühsam, aber kein Problem", sagt Bläuel.

Wurzeln liegen in Griechenland

Mehr österreichische Firmen sollten wie Mani in Griechenland investieren, meint Olga Sarantopoulos, Präsidentin der griechischen Gesellschaft in Österreich und Generalsekretärin des Weltrates der Auslandsgriechen. Die Griechen in Wien würden mit ihrem Volk fühlen, sagt sie: "Unsere Wurzeln liegen in Griechenland. Die Sparmaßnahmen bringen die Bevölkerung an ihre Grenzen." Sie plädiert für humanitäre Hilfe von Österreichern.

Einer, der diesem Ruf nachging, ist Erwin Schrümpf. Der Salzburger hat schon vor drei Jahren die Initiative "Hilfe für Griechenland" initiiert. "Das ist eine humanitäre Katastrophe", sagt er. Schrümpf fährt regelmäßig mit Sachspenden und Hilfsgütern in den Süden; zuletzt war er während des Referendums zum Sparplan der EU in Griechenland. (Oona Kroisleitner, David Stojanoski, Maria Von Usslar, 15.7.2015)