Berlin – Die deutsche Bundeskanzlerin trifft einen der bekanntesten deutschen Youtube-Stars – und am Ende steht doch ein ziemlich gewöhnliches Interview: Das am Montag im Internet veröffentlichte Gespräch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem mit dem Künstlernamen LeFloid arbeitenden YouTuber Florian Mundt unterschied sich nur in einigen Äußerlichkeiten von üblichen Merkel-Interviews.

Neue Positionen der Kanzlerin konnte LeFloid dagegen nicht herauskitzeln. LeFloid versuchte Merkel vor allem mit Themen, die die eher jungen Zuschauer seiner Seite interessieren, zu konfrontieren. Er fragte etwa zur Homo-Ehe, zum Freihandelsabkommen TTIP oder zur Freigabe von Cannabis. Merkel antwortete zu allen Punkten dabei so, wie es ihre bekannte Linie ist. Bei der Homo-Ehe sagte sie, sie sei gegen Diskriminierungen, die Ehe sei für sie aber ausschließlich eine Verbindung von Mann und Frau."Ich glaube, dass man das auch akzeptieren muss, dass es da verschiedene Meinungen gibt." Solch ein Konflikt müsse halt auch mal eine Weile ausgehalten werden.

2,6 Millionen Abonnenten

In den vielen Kommentaren etwa auf der Facebook-Seite von LeFloid fanden manche der Kommentatoren die Fragen an Merkel an dem Punkt zu zahm, andere lobten die Seriosität des Fragestellers – was allerdings nicht unbedingt im Sinne von LeFloid sein dürfte. Denn der auf rund 2,6 Millionen Abonnenten seines Kanals kommende Videoblogger profitiert gerade davon, sich von üblichen Fernsehformaten und -moderatoren mit einer unkonventionellen Art abzusetzen.

Grundtenor auf Twitter, und hier vor allem bei Journalisten: LeFloid hätte nachfragen, insistieren sollen. Andere wiederum verteidigten ihn und fragten, warum ausgerechnet ein Youtuber die deutsche Kanzlerin mit kritischen Fragen in Bedrängnis bringen müsse, wenn das nicht einmal arrivierte Politikjournalisten schaffen würden.

Auf dem Blog des Deutschen Journalistenverbandes wird das Gespräch als "handzahm" und als "gut inszenierte PR-Show" bezeichnet und die Frage aufgeworfen: "Was das mit Journalismus zu tun hat? Nur so viel, dass sich manche Politiker-Interviews, die die Regenbogenpresse vornehmlich in Wahlkampfzeiten führt, nicht anders lesen: viel Atmosphäre, wenig Inhalt."

LeFloid

Optisch setzte sich LeFloid dagegen bei dem am Freitag im Kanzleramt aufgezeichneten Gespräch von den üblichen Interviewern der Kanzlerin ab. Er trug T-Shirt und Kappe statt Anzug und Krawatte, sprachlich gab es auch manche Unterscheidungen. So reagierte er etwa auf eine Antwort Merkels mit "ah, sehr cool" – doch dürfte dies ebenfalls unter seinen Abonnenten eher kontroverse Reaktionen auslösen. Denn vorher hatte Merkel ausführlich erzählt, weshalb sie das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP für richtig hält. Dabei versprach sie am Ende der Ausführungen, dass die europäischen Standards etwa im Umweltschutz und bei Sozialstandards erhalten bleiben. Dies fand dann LeFloid mit seinem "ah, sehr cool" für lobenswert.

Regierungsstrategie "Gut leben"

Auch beim strittigen Thema Cannabis konnte LeFloid die Kanzlerin nicht von ihren bisherigen Positionen abbringen. "Da bin ich sehr restriktiv", sagte sie ablehnend zu Forderungen nach einer Cannabis-Freigabe. Merkel führte das Gespräch mit dem 27-Jährigen im Zuge der Regierungsstrategie "Gut leben", für die die Bundesregierung einen verstärkten Dialog mit allen Bevölkerungsschichten führen will. Das Interview mit ihm passe da "einfach gut" zu dieser Strategie, sagte Merkel.

Das Interview verzeichnete bis Dienstag um 10.00 Uhr bereits 925.000 Abrufe auf Youtube. Insgesamt dürfte das Gespräch ein Millionenpublikum erreichen – und hier vor allem junge Seher. Eine Quote, von der manche TV-Sender nur träumen können. Die ARD-"Tagesschau" kommt etwa auf rund 1,2 Millionen Zuseher in der jungen Zielgruppe. (APA, red, 14.7.2015)