Genf – Unser Wissen vom Aufbau der Materie wurde vor rund einem halben Jahrhundert revolutioniert: 1964 schlug der US-Physiker Murray Gell-Mann vor, dass die als Baryonen bezeichneten Teilchen, zu denen Protonen und Neutronen gehören, aus drei geringfügig geladenen Objekten bestehen, die er Quarks nannte (nach einem Zitat aus James Joyces Roman "Finnegans Wake": "Three quarks for Muster Mark").
Dieses sogenannte Quarkmodell sah vor, dass Quarks auch im exotischen Verbund als Tetra- oder Pentaquarks vorkommen können: Letztere würden aus vier Quarks sowie einem Antiquark bestehen und waren bald Gegenstand heftiger Debatten, weil die Teilchen lange nicht entdeckt werden konnten.
Doch genau das dürfte nun am Large Hadron Collider gelungen sein: Wie die Physiker demnächst in den "Physical Review Letters" berichten, orteten sie in den riesigen und präzisen Datenmengen des LHC Signale, die sich laut den Forschern nur als Pentaquark-Zustände erklären lassen.
"Nicht irgendein neues Teilchen"
"Das Pentaquark ist nicht irgendein neues Teilchen", erklärte LHCb-Sprecher Guy Wilkinson. "Es stellt eine Möglichkeit dar, Quarks in einem Muster zu vereinigen, das trotz 50-jähriger experimenteller Suche noch nie beobachtet wurde. Die Untersuchung seiner Eigenschaften erlaubt es uns, ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wie sich herkömmliche Materie, also die Protonen und Neutronen, aus denen wir alle bestehen, zusammensetzt."
Die Wissenschafter entdeckten das Pentaquark, indem sie den Zerfall von als Λb (Lambda b) bekannte Baryonen in drei weitere Partikel, ein J/ѱ (J-psi), ein Proton und ein geladenes Kaon untersuchten. Die Massespektren des J/ѱ-Teilchens und des Protons enthüllten jeweils eine Art Zwischenstadium ihrer Entstehung.
Große Datenmenge, präzise Detektoren
"Dank der enormen Datenmenge, die das LHC liefert, und der ausgezeichneten Präzision der Detektoren, konnten wir alle Erklärungsmöglichkeiten für diese Signale gegeneinander abwiegen. Übrig blieb schließlich, dass es sich nur um einen Pentaquark-Zustand handeln kann", erklärte der LHCb-Physiker Tomasz Skwarnicki von der Syracuse University. "Genauer gesagt: die beobachteten Teilchenzustände repräsentieren zwei Up-Quarks, ein Down-Quark, ein Charm-Quark und ein Anti-Charm-Quark."
Als nächstes wollen die Forscher aufklären, wie die Quarks in den Pentaquarks aneinander gebunden sind – ob stark gebunden oder lose in einer Art Molekülverband. Dazu werden die Forscher die Daten des unlängst begonnenen zweiten Durchlaufs des LHC nutzen, bei dem Teilchen mit der bisher noch nie in einem Beschleuniger erreichten Energie von 13 Teraelektronenvolt aufeinander prallen. (tasch/red, 14.7.2015)