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2013 war Wiesberger 64. der British Open, 2014 verpasste er den Cut. Doch heuer wird in St. Andrews gespielt, und heuer ist auch Wiesberger ein anderer.

Foto: Reuters/Childs

St. Andrews / Wien – Das Monatsmagazin Golf Digest, 1950 erstmals publiziert, ist so etwas wie eine Bibel dieses Sports, was also bedeutet, dass man nicht alles glauben muss, was drinsteht. Einigem kann man natürlich etwas abgewinnen, das wird sich beim jüngsten Aufmacher nicht zuletzt Bernd Wiesberger gedacht haben.

"Wer ist Bernd Wiesberger, und wieso wird er die British Open gewinnen? Eine Erklärung", lautete der Titel einer langen Story über Wiesbergers Qualitäten. Für den 29-jährigen Burgenländer, schreibt Mike Stachura, sprächen die Konstanz im langen Spiel wie beim Putten, das Selbstvertrauen, das er sich zuletzt als Sieger in Paris geholt habe, und eine gewisse Routine.

Es sei unabdingbar, den altehrwürdigen Kurs im schottischen St. Andrews gut zu kennen. Tatsächlich ist der Kurs dem Österreicher nicht nur bekannt, er liegt ihm auch. Wiesberger hat die dort ausgetragene Alfred Dunhill Link Championship zweimal im Spitzenfeld beendet, 2013 auf Rang zwölf, 2014 auf Rang 14. Auch dass die jüngsten British-Open-Sieger in St. Andrews Tiger Woods (2000, 2005) und Louis Oosthuizen (2010) hießen, wird von Golf Digest als Omen gewertet, schließlich trage der Oberwarter im Vornamen gleich viele Lettern wie Woods, im Nachnamen gleich viele wie Oosthuizen.

Auf sein Selbstvertrauen und seine Platzkenntnis spielt Wiesberger auch selbst an. "Erstmals in meiner Karriere spiele ich ein Major auf einem Platz, den ich gut kenne. Ich weiß, dass ich den Ball zurzeit perfekt treffe, und möchte versuchen, meine positiven Gedanken aus Paris in diese Woche mitzunehmen."

Penible Vorbereitung

Seit Sonntag weilt er mit seinen Coaches Phil de Busschere und Damian Taylor vor Ort, da ist sich bis zum Abschlag am Donnerstag noch die eine oder andere Trainingsrunde ausgegangen. Ins Turnier startet der Weltranglisten-23. exakt um 14.01 Uhr (MESZ), seine Flightpartner sind der 39-jährige US-Amerikaner Zach Johnson, 2007 Masters-Sieger in Augusta, und der 24-jährige Engländer Tommy Fleetwood. Am Freitag geht das Trio bereits um 9 Uhr in die zweite Runde.

Wiesberger ist aktuell sechstbester Europäer in der Weltrangliste, im sogenannten "Race to Dubai" der European Tour liegt er mit heuer verdienten 1,526 Millionen Euro an Preisgeld sogar an vierter Stelle. Die 144. British Open sind für ihn das dritte Major des Jahres, beim Masters in Augusta hat er den Cut geschafft und Rang 22 belegt, bei den US Open in Seattle hat er als 85. den Cut um zwei Schläge verpasst.

"Wer mich kennt, der weiß, dass ich jede Woche um den Sieg mitspielen will", sagt er und zieht einen Vergleich zu früheren Saisonen. "In den Wochen, in denen ich zu Beginn vorne dabei bin, ist es jetzt so, dass ich bis zum Ende vorne drinnenbleibe. Das ist ein gutes Zeichen, auch wenn es bis zum Sieg etwas gedauert hat." Dem Erfolg bei den Open de France waren allerdings schon Spitzenresultate in Abu Dhabi (6.), Katar (3.), Dubai (4.), Malaysia (2.) und Irland (2.) vorangegangen. Wiesberger beschreibt seine Konstanz wie folgt: "Ich hau nichts mehr weg."

Um Bodenhaftung bemüht

Golf Digest, die Bibel, tanzt insofern etwas aus der Reihe, als die meisten Kundigen den Texaner Jordan Spieth als Top-Favoriten sehen. Das ist so verständlich wie langweilig, schließlich hat Spieth heuer US Masters und US Open gewonnen. Die Kurskenntnis, steht in der Bibel, spreche klar für Wiesberger und gegen Spieth, der noch nie in St. Andrews spielte. Zuletzt 1964 (Tony Lema) habe eine "Old-Course-virgin" die Open gewonnen.

Was der erste österreichische Major-Sieg bedeuten würde, darüber denkt Wiesberger kaum nach. Er bemüht sich um Bodenhaftung. "Auf jeden, der gut verdient, kommen viele, die nicht wissen, wie sie zum nächsten Turnier fliegen sollen. Da habe ich auch dazugehört." Seine Popularität sei sowieso eine relative Größe. Kürzlich sei er in Wien über die Kärntner Straße gegangen und unbehelligt geblieben. "Es war", sagt Wiesberger, "relativ ruhig." (Fritz Neumann, 15.7.2015)